Dan
fragte er, und aus seinem Blick sprach eine Mischung aus Bewunderung und Tadel. »Aber im Grunde überrascht mich das nicht. Du hast dir noch nie viel aus Regeln gemacht.«
»Du meinst, mir Zugang zur Asservatenkammer zu verschaffen?« Dan zuckte mit den Schultern. »Ich kenne da Leute. Aber Maggie werden sie wohl trotz allem nicht hineinlassen.«
»Unser Neuer? Der vielleicht schon.« Joel schüttelte verächtlich den Kopf. »Der Typ ist eine Katastrophe.«
»Ich gebe zu, ich war überrascht, als ich hörte, dass du den Job nicht bekommen hast.«
Joel winkte ab, als wäre ihm das alles nicht so wichtig, und neigte sich dann näher, um mit gesenkter Stimme fortzufahren. »Du hast das schon immer gewusst, Dan, es kommt darauf an, dass man die richtigen Leute kennt. Nicht, wie gut man den Job macht. Und der?« Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Der kennt alle.«
»Wer kennt alle?« Ein Mann trat um die Ecke in den Eingangsbereich, klein und schmal, mit schütterem Haar und braunen Augen, die scharf durch eine randlose Brille blickten. »Sind Sie Dan Gallagher?«
Maggie musste Sancere insgeheim zustimmen: Der »Chef« war eine Katastrophe. Sein Hemd war nicht gebügelt, und Rasieren hielt er offenbar für nebensächlich.
»Mein Name ist Thomas Vincenze, Special Agent, und ich bin der Leiter hier.« Er schüttelte Dan die Hand und nickte Maggie zu. »Können wir, Gallagher? Ich habe die Mitarbeiterin vor Ort angewiesen, Dokumente und Beweisstücke herauszusuchen.«
Mit Blick auf Maggie zögerte Dan. »Möchtest du hier warten?«
»Ich werde mich um sie kümmern«, versicherte Joel. »Wir sind in meinem Büro.«
Wenn Dan bemerkt hatte, dass ihr die Farbe aus dem Gesicht wich, so ließ er sich nichts anmerken. Er nickte Joel nur sein Einverständnis zu und verschwand mit Vincenze durch eine Tür.
»Hier entlang«, sagte Joel zu Maggie. »Meine Abstellkammer ist ganz hinten.«
Sie folgte ihm den Flur entlang und fragte sich, wie sie wohl mit ihm Small Talk machen konnte, ohne die verhasste Vergangenheit zu erwähnen.
»Und?«, begann er. »Haben Sie die berühmt-berüchtigte Lucy Sharpe schon kennengelernt?«
Die Frage überraschte sie, ließ sie aber aufatmen. »Ich habe am Telefon mit ihr gesprochen, bevor wir hierherkamen.«
»Hat es geknistert?«
Sie sah ihn verwirrt an.
»Zwischen ihr und Dan. Angeblich sind sie zusammen, wussten Sie das nicht?«
Sie war erneut überrascht, allerdings vor allem über ihre eigene Reaktion. Was hatte sie erwartet? Dass er keine anderen Frauen ansah? Ein Mann wie er? »Er hat nichts davon erwähnt.«
»Ist auch nur ein Gerücht. Um die Firma ranken sich jede Menge Gerüchte. Sie ist irgendwie voller Geheimnisse.« Er lachte, als sie die Tür zu seinem Büro erreichten, und bedeutete ihr, voranzugehen. »Und schwimmt im Geld.«
»Ich weiß wirklich nicht viel über diese Firma«, sagte sie und verschränkte die Arme. Wie lange würde es dauern, bis Dan den Keks-Spruch fand?
»Sie waren wahrscheinlich ganz schön überrascht, als er nach all den Jahren aufkreuzte?«
Mit jemandem, der so viel über ihre Vergangenheit wusste, waren selbst fünf Minuten zu lang.
Er schlenderte um seinen Schreibtisch herum und nahm auf einem knarrenden Stuhl Platz. »Setzen Sie sich doch bitte, Maggie. Oh, Verzeihen Sie … Möchten Sie etwas trinken? Cola? Oder einen Kaffee?«
»Nein danke.« Sie nahm den angebotenen Stuhl und sah sich um, auf der Suche nach einem Aufhänger für einen Themawechsel. Aber es gab weder Familienfotos noch Diplome noch irgendetwas anderes, das sie hätte ansprechen können.
»Haben Sie ihn wiedererkannt?«
»Nein.« Sie sah ihn unverwandt an. »Aber Sie hätte ich noch viel weniger wiedererkannt.«
Er lächelte. Offenbar nahm er die Bemerkung als Kompliment auf. »Ich bin nicht mehr viel undercover unterwegs, aber damals war ich ziemlich gut darin.«
Er beugte sich vor, und aus seiner Miene wich die Freundlichkeit. »Kennst du etwa deinen alten Kumpel Juan nicht mehr?« Der schwere spanische Akzent gab ihm etwas Fieses, und sie lehnte sich leicht zurück, um Abstand zu gewinnen.
»Jetzt schon.«
Sofort war er wieder er selbst. »Tut mir leid. Das muss seltsam für Sie sein.«
»Ein bisschen.« Sie zeigte ihm ein knappes Lächeln. »Danke für Ihr Verständnis.«
»Lassen Sie uns Freunde bleiben, Maggie. Ich finde es nobel von Ihnen, dass Sie uns helfen. Dafür danken wir Ihnen.«
»Ich helfe gern«, sagte sie, immer noch bemüht,
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