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Danach

Danach

Titel: Danach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Koethi Zan
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Tonbandaufnahme. Mir fiel auf, dass ich sogar Mühe hatte, am Ende einer Frage mit der Stimme hochzugehen.
    »Nein, das war auch irgendwie eigenartig. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass sie vor irgendetwas davonlief, aber sie hat nie darüber geredet. Sie kam irgendwo aus der Gegend um Selma, Alabama. Ein geschichtsträchtiger Ort. Vielleicht wollte sie einfach nur dort weg.«

    Als ich später in der Dämmerung zurück zum Hotel fuhr, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Fast wäre ich von der Straße abgekommen. New Orleans, der Ort, an den Vals Freundin gezogen war: Er erinnerte mich an irgendetwas in Jacks Brief. Ich ignorierte die Sonne, die langsam hinter dem Horizont abtauchte, fuhr auf den Seitenstreifen und schaltete das Warnblinklicht ein.
    Mit klopfendem Herzen zog ich den Brief aus der Tasche. Der See, der darin vorkam, war der Lake Pontchartrain in der Nähe von New Orleans! Ich las die betreffende Zeile noch einmal aufmerksam durch. Sie ergab immer noch keinen Sinn, aber ich wusste jetzt, dass er diesen See damit gemeint haben musste, und das konnte nur eines bedeuten: dass Tracy etwas damit zu tun hatte.
    Ich las den ganzen Brief noch einmal durch. Ich brauchte Tracy. Sie musste mir sagen, was Jacks Brief mit ihrer Vergangenheit zu tun hatte und was das alles bedeutete. Ich musste sie irgendwie dazu bringen, mit mir zu reden und sich vielleicht sogar mit mir zu treffen, damit wir gemeinsam nachdenken und die Worte dieses Verrückten mit Sinn füllen konnten, damit wir herausfanden, ob er uns etwas mitteilte und, falls ja, ob er es bewusst tat oder nicht.

7
    Tracys Geschichte kam nach und nach heraus, im Laufe der Jahre im Keller. Ich setzte sie aus Kleinigkeiten zusammen, die ihr entschlüpften, vor allem dann, wenn sie besonders niedergeschlagen, verzweifelt und ohne Hoffnung war. Meistens versuchte sie jedoch, nicht mit uns über ihr Leben zu sprechen. Ihre Gedanken waren ein Rückzugsort, an den sie vor ihm flüchten konnte, und vermutlich auch vor uns. Sie hatte panische Angst davor, dass Jack jeden noch so kleinen Informationsschnipsel, den sie uns verriet, dazu verwendete, ihre Gedanken zu manipulieren. Das war das Spiel, das die beiden miteinander spielten.
    Bei mir nutzte er Jennifer als Druckmittel und war daher nicht auf meine Erinnerungen angewiesen, zumindest nicht, solange sie noch lebte. Vermutlich habe ich deshalb nie verstanden, wie viel für Tracy auf dem Spiel stand und wie lebenswichtig es für sie war, ihr früheres Leben als geweihten, unberührbaren Ort zu betrachten. Ein Fehler, der mich in den letzten Monaten unserer Gefangenschaft teuer zu stehen kommen sollte. Jedenfalls verbrachten wir so viele Stunden miteinander, dass es unmöglich war, sich kein anschauliches Bild von ihrer Vergangenheit zu machen, wie sehr sie sich auch dagegen wehrte.
    Tracy kam als Tochter einer achtzehnjährigen Schulabbrecherin in New Orleans zur Welt. Ihre Mutter war heroinabhängig, mit all dem Leid und dem Horror und den Schmerzen, die diese Sucht mit sich bringt. Männer gingen in der schmuddeligen Wohnung im Erdgeschoss ein und aus, die in einem kreolischen Reihenhaus an der Elysian Fields Avenue lag, das aussah wie ein vertrockneter, bröckelnder Kuchen. Als Tracy fünf Jahre alt war, wurde in eben dieser Erdgeschosswohnung ihr Bruder Ben geboren. Tracy beobachtete seine Geburt von der Zimmerecke aus und sah, wie sich ihre Mutter während der Wehen einen Schuss setzte. Das Heroin war ein so wirksames Betäubungsmittel, dass sie sich kaum noch rührte, als Bens Kopf zwischen ihren Beinen erschien. Es grenzte an ein Wunder, dass das Baby überlebte, und es war noch viel erstaunlicher, dass das Jugendamt dieses Fleckchen Erde vergessen zu haben schien. Offenbar hatte die Stadt New Orleans genügend andere Probleme, und so überließen die Sozialarbeiter die Familie nach einem kurzen Routinegespräch ihrem Schicksal.
    Lange Zeit war der kleine Bruder für Tracy die einzige familiäre Liebe und Zuneigung, die sie je kennengelernt hatte. Mit der ganzen Heftigkeit, die ich an ihr kannte, kämpfte sie für sich und Ben, während die Mutter nur selten für ihre Kinder sorgte, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Da sie selbst von der Droge lebte und sich nicht für Lebensmittel interessierte, gab es nie genügend zu essen im Haus, zumindest nicht für beide Kinder. Also zog Tracy auf die Straßen von New Orleans, um dort für sich und ihren Bruder ein besseres Leben

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