Dance of Shadows
Zep aufzuhetzen.« Die Worte brachen ohne jede Überlegung aus ihr heraus. »Was ist eigentlich mit dir los? Warum bist du so voller Hass?«
Justin war von ihrem plötzlichen Auftauchen überrascht. »Was redest du denn da?«
Ohne auf ihn einzugehen, sprach Vanessa weiter: »Ich weiß jetzt, warum du mir ständig folgst. Du bist eifersüchtig auf ihn.«
Justin lachte auf. Hinter seiner Maske meinte Vanessa das spöttischeAufblitzen seiner Augen zu erkennen. »Ich bin auf niemand eifersüchtig«, entgegnete er. »Ich weiß alles über dich und auch, was mit dir geschieht, wenn du tanzt – wie du dich dabei verlierst. Du musst wissen, dass du nicht die Einzige bist, die beim Tanzen diese Erfahrung macht.«
Vanessa wollte ihn gerade unterbrechen, als ihr bewusst wurde, was Justin soeben gesagt hatte. Wer konnte ihm davon erzählt haben?
Justin sah sie forschend an. »Du siehst also, ich weiß einiges über dich«, sagte er. »Manche reden ganz offen darüber, zum Beispiel Josef. Wie du dich beim Tanzen verlierst, ist nämlich gefährlich. Deshalb hast du auch die Rolle bekommen, und nicht etwa, weil du … «
»Sei still!«, schrie ihn Vanessa an und brachte ihn zum Schweigen. »Das einzig Gefährliche ist, dir zuzuhören. Aus deinem Mund kommen nichts als Lügen!« Damit ließ sie ihn stehen und rannte Anna hinterher.
Sie sah Annas blonde Mähne gerade noch im Lincoln Center verschwinden. Vanessa beobachtete, wie sie durch die Lobby ging und dem Wachmann ihren Ausweis zeigte. Dann ging sie Richtung Untergeschoss.
Vanessa wollte ihr gerade folgen, als sie hinter sich eine Bewegung bemerkte, die sich in der Glasscheibe spiegelte. Sie drehte sich rasch um, aber da war niemand.
»Justin?«, rief sie. »Ich weiß, dass du mir folgst.«
Hinter einer Säule bewegte sich ein Schatten, aber niemand trat auf den Platz heraus. Dennoch hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden.
Vanessa ging ein paar Schritte auf den Schatten zu und spähte angestrengt in die Dunkelheit, doch dann blieb sie stehen. Schließlich war es ihr gleichgültig, ob Justin ihr folgte. Sie betrat das Gebäude, zeigte dem Wachmann ihren Ausweis und durchquerte eilig die Lobby.
Mit wachsender Nervosität hastete sie am Kassenschalter vorbei und die Treppe zum Probenraum hinunter. Dort war alles dunkel bis auf einen Lichtschein, der unter der Tür hervorleuchtete. Vanessa zog sich die Schuhe aus und schlich langsam weiter, bis sie Anna sehen konnte. Anna stand mitten im Raum, auf dem versengten, rußigen Fleck. Um sie herum sah man die schwarz verbrannten Wänden mit den Umrissen der weißen Gestalten.
Anna kauerte mit dem Rücken zu Vanessa auf dem Boden. Da sie Angst hatte, der Boden könnte knarren, beugte sich Vanessa nur leicht vor, und versuchte zu sehen, was Anna machte.
Nach einer Weile legte Anna das Rosenbouquet, dessen Blüten bereits welk wurden, auf dem Boden ab.
Warum hat Justin ihr die Blumen überreicht?
, fragte sich Vanessa. Anna wischte sich Tränen von der Wange und berührte mit den Fingern die versengte Stelle auf dem Holz. Mit unterdrücktem Schluchzen stand sie auf und drehte sich um. Ihr Make-up war zerlaufen.
Vanessa wich in den Schatten zurück und lauschte Annas Schritten. Die Tür ging auf, und Anna trat auf den Korridor heraus. Ihre Gestalt war in der Dunkelheit kaum zu sehen. Sie ging so nah an ihr vorbei, dass Vanessa den Blütenduft ihres Shampoos riechen konnte. Sie hielt den Atem an und wartete, bis Anna fort war und nur noch der künstliche Blütenduft in der Luft hing, der bald verflog.
Kapitel neunzehn
Wenn Vanessa daran zurückdachte, waren die letzten beiden Monate abgelaufen wie ein Ballett.
Im ersten Akt trifft die Ballerina ihren Prinzen, einen schönen, edlen Mann. Entgegen allen Erwartungen verlieben sie sich ineinander.
Im zweiten Akt schlägt das Schicksal zu. Die beiden werden durch dunkle Mächte, die sich gegen sie verschworen haben, voneinander getrennt. Dann entspinnt sich eine geheimnisvolle Handlung: Der Prinz beginnt sich merkwürdig und unvorhersehbar zu verhalten. Ein weinendes Mädchen läuft mit einem Strauß Rosen davon, die so weiß sind wie Knochen. Sie legt die Rosen mitten auf die Bühne, auf den verkohlten Fleck.
Im dritten Akt würden dann wohl alle wieder zusammenfinden. Das Geheimnis würde gelöst, die Ballerina mit ihrem Prinzen wieder vereinigt, die Schwester der Ballerina würde von ihrer langen Reise in die Unterwelt zurückkehren, und alles würde herrlich und in
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