Dance of Shadows
okay.« Dann musterte sie Vanessa erstaunt. »Weißt du, so ganz in Weiß verkleidet erinnerst du mich fast an diese schemenhaften Umrisse, die wir an den Wänden im Probenraum des Balletttheaters gesehen haben.«
Vanessas Lächeln erstarb. Seit jenem Abend, an dem die Gestalten an der Wand erstmals zum Leben erwacht waren, hatten sie sich nicht mehr bewegt. Hatte sie sich das alles nur eingebildet? Sie erinnerte sich daran, wie echt sie ausgesehen hatten, als sie sich von der Wand gelöst hatten, und wie angsterfüllt ihre Gesichter gewesen waren, als sie um sie herumtanzten und jede ihrer Bewegungen nachmachten. Und sie dachte besonders an jenes Mädchen, das ihr gefolgt war und Margaret auffallend ähnlich sah, kurz bevor seine Gestalt in Licht barst.
Noch ehe Vanessa etwas erwidern konnte, sank TJ erschöpft zu Boden. »Tut mir leid«, jammerte sie und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich hätte eben nicht so eine Szene machen sollen.«
»Mach dir nichts draus«, tröstete Steffie sie. »Bis morgen haben das alle schon wieder vergessen.« Sie wandte sich an Vanessa, die suchend in die Menge blickte.
»Du bist immer noch ganz deprimiert wegen Zep«, diagnostizierte Steffie und lehnte sich neben Vanessa an die Wand.
»Nein«, log Vanessa rundheraus. Doch als Steffie sie weiter forschend ansah, korrigierte sie sich. »Also gut, es stimmt. Aber ichkann nicht anders. Er ist einfach so … ach, das ist alles so verwirrend … «
Steffie wartete darauf, dass sie weitersprach, aber Vanessa wusste nicht, was sie dazu noch sagen sollte.
In diesem Augenblick ging am hinteren Ende des Saals eine Tür auf. Dann wehte ein Umhang um die Ecke, gefolgt von Stimmen. Vanessa legte den Zeigefinger an die Lippen. »Pssst!« Leise stellte sie ihr Mineralwasser auf dem Boden ab und ging auf Zehenspitzen den Korridor hinunter.
»Wo willst du hin?«, fragte Steffie, blieb aber an der Tür stehen.
»Ich bin gleich zurück.« Vanessa schlich sich im Halbdunkel an die Gestalt des Todes heran.
Als sie ihn schließlich einholte, stand er draußen und trug noch immer seine Maske mit der schaurig verzerrten Grimasse. Aber jetzt unterhielt er sich mit einer Prinzessin. Anna.
Vanessa wartete hinter einer Säule und beobachtete die beiden. Sie erstarrte, als sich der Tod zu Anna hinüberbeugte und ihr etwas zuflüsterte. Dann überreichte er ihr ein kleines Bouquet weiße Rosen, die genauso aussahen wie die Rose, die er ein paar Stunden zuvor Vanessa gegeben hatte. Anna nahm das Bouquet entgegen und roch daran.
Vanessa trat noch einen Schritt zurück. Ihr Herz raste. Als sie die beiden so vor sich sah, fühlte sie einen Stich in ihrem Inneren, als hätte ihr jemand ein Messer in die Eingeweide gerammt, aber sie konnte den Blick nicht abwenden. Sie wollte es jetzt genau wissen. Langsam legte der Tod seine Hand auf Annas Arm.
Anna trat sofort einen Schritt zurück, und es sah so aus, als wollte sie ihm eine Ohrfeige verpassen. Dann hielt sie sich die Hand vor den Mund. »Du lässt einfach nicht locker«, sagte sie mit bebender Stimme. »Hör endlich auf damit.«
Weinte sie etwa? Vanessa konnte es nicht genau erkennen. Sie sahnur den weißen Spitzenschal über ihren Schultern, als sie das Rosenbouquet an ihre Brust drückte.
Der Tod trat ganz nah an Anna heran. »Es ist nicht so schlimm, dass sich Zeps Aufmerksamkeit nun auf etwas anderes richtet.« Seine Stimme klang hinter der Maske dumpf, dennoch durchströmte Vanessa eine Woge der Erleichterung. Hinter dem Tod verbarg sich gar nicht Zep, sondern Justin.
»Jetzt komm endlich drüber weg und verschwinde hier«, sagte Justin gerade.
»Ich kann nicht fortgehen«, erwiderte Anna mit zitternder Stimme. »Dazu hab ich nicht die Kraft.«
Justin deutete in Richtung Balletttheater, und sein Umhang flatterte im Wind. »Du bist nicht allein dort oben auf der Bühne – da sind auch all die anderen Tänzerinnen, die dir vorausgegangen sind.«
Doch Anna schüttelte den Kopf. Schluchzend drückte sie das Blumenbouquet an ihre Brust und rannte über den Hof. Sie hinterließ eine Spur von Rosenblättern auf dem Boden.
Justin ließ ein verärgertes Knurren vernehmen, bei dem man keinerlei Verständnis und Mitgefühl heraushörte. Vanessa erkannte darin jenen Unterton, mit dem er bisweilen auch mit ihr sprach. Schlagartig wurde sie wütend. Ihre Beine setzten sich unbewusst in Bewegung, bis sie auf einmal direkt vor ihm stand.
»Was hast du gerade zu Anna gesagt? Du versuchst jeden gegen
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