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Dance of Shadows

Dance of Shadows

Titel: Dance of Shadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yelena Black
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incroyable«
, murmelte er kaum hörbar, dann richtete er den Blick wieder auf Vanessa. »Schon besser«, sagte er. »Viel besser.«
    Mit einem Händeklatschen beendete er die Probe. Vanessa stopfterasch die Schuhe in ihre Tasche und warf sie sich über die Schulter; dabei beobachtete sie, wie Josef seine Hand auf Zeps Rücken legte und ihn, während er mit leiser, ungeduldiger Stimme auf ihn einredete, auf den Korridor hinausführte. Zep warf Vanessa über die Schulter hinweg einen Blick zu, bevor sich die Tür hinter ihm schloss.
Tut mir leid
, schien er ihr damit sagen zu wollen,
bitte vertrau mir.
    Aber was genau ihm leidtat, war Vanessa nicht klar, und es ergab sich auch keine Gelegenheit, ihn danach zu fragen. Es war jeden Tag dasselbe – Josef machte sich mit Zep in Windeseile davon, bevor sie sich auch nur von ihm verabschieden konnte. Und je mehr sich Vanessa verbesserte, umso ungeduldiger schien Josef mit Zep zu werden. Aber warum eigentlich? Zep tanzte seinen Part jedes Mal tadellos. Sie hätte ihn gern gefragt, woran Josef nach der Probe noch weiter mit ihm arbeitete, aber sie bekam ihn außerhalb des Probensaals kaum zu Gesicht.
    Überall auf dem Boden waren weiße Puderspuren. Auch Steffies Kommode, ihr Sessel und ihr Schreibtisch waren mit Puder bestäubt, der nackte Holzrahmen von Ellys Bett und der Teppich. Vanessa zwängte sich zwischen den Möbeln zu Steffie durch, die vor dem Spiegel stand und ihre Wangen mit einem Make-up-Pinsel betupfte. Ihre langen Beine steckten in blickdichten weißen Strumpfhosen, und ihr Gesicht war weiß bis zur Unkenntlichkeit.
    Neben ihr rieben sich TJ und Blaine Hals, Arme und Schultern mit weißer Schminke ein, sodass auch sie allmählich nicht mehr zu erkennen waren. TJs braune Locken waren gepudert wie eine Barockperücke, und Blaine hatte schwarzen Lippenstift aufgetragen. Sie machten ihr Platz, als Vanessa zum Spiegel trat. Ihre Haut war so weiß wie ihr Trikot, und sie sah aus wie ein bleiches Gerippe. Selbst ihr rotes Haar war weiß eingestaubt.
    Steffie legte ihren Eyeliner weg und klimperte mit den Lidern, damit das weiße Puder von ihren Wimpern fiel. »Du siehst aus wie   … «
    »Margaret«, flüsterte Vanessa. Nun, wo ihre eigenen lebendigen Farben überdeckt waren, sah sie im Spiegel dünn und zerbrechlich aus – das perfekte Ebenbild ihrer Schwester. Das Ergebnis ihrer Maskerade war ein grausiger Zufall, denn wie ihre drei Freunde verkleidete sie sich als tote Tänzerin aus dem
Danse Macabre.
Sie verbannte den Gedanken rasch aus ihrem Kopf. Schließlich war Halloween.
    »Beeilt euch!«, drängte Blaine. »Sonst kommen wir zu spät!« Nach den letzten Pinselstrichen ihres schwarz-weißen Make-ups hasteten sie zur Tür hinaus.
    Für die Schüler der New Yorker Ballettakademie war es Tradition, sich für Halloween als eine berühmte Figur aus einem Stück der Ballettgeschichte zu verkleiden. In dieser Maskerade pflegten sie dann den Central Park unsicher zu machen und die Wege dort als ihre Bühne zu nutzen. Es war für sie eine Möglichkeit, eine ganz ursprüngliche Form des Tanzens zu erleben, jene Art von rhythmischer und stilisierter Bewegung, die existiert hatte, bevor es Publikumssäle und Scheinwerferlicht, samtbezogene Sitzreihen und Eintrittskarten gab, zu einer Zeit, als der Tanz nichts anderes gewesen war, als dass Menschen sich zu den Geräuschen der Natur bewegten und sich vor dem großen Unbekannten im Himmel in Demut verbeugten.
    Die Oktoberluft war eine stürmische Mischung aus warmem Wind und eiskalten Böen, als ahne die Natur die kommenden Veränderungen. Der November stand vor der Tür, und mit ihm rückten der Winter mit seinem Schnee und die Aufführung des
Feuervogels
im Dezember immer näher. Der Mond stand als große gelbe Kugel am Himmel, wie ein weit aufgerissenes Auge. Um ihn herum war der Himmel dunkel, leer und sternlos.
    »Finde nur ich das, oder ist die Nacht heute dunkler als sonst?«,sagte Steffie zu Vanessa, als sie auf die anderen Schüler der Ballettakademie zugingen, die allesamt verkleidet waren und sich am Brunnen versammelten.
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Vanessa und warf einen Blick zum Himmel. »Es ist, als wüsste das Universum, dass heute Halloween ist.«
    Am Brunnen hätte Vanessa nicht sagen können, welcher ihrer Klassenkameraden sich hinter welcher Verkleidung verbarg. Sie trugen federleichte Tutus, grüne Nymphenkostüme oder Nussknacker-Uniformen, oder sie waren als Schwäne und Mäuse

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