Dancing Jax - 01 - Auftakt
gewaltig – hier konnte er nicht lange bleiben.
Besorgt suchte der Kreuzbube nach einem Ausweg. Inmitten von Ginster und Bäumen entdeckte er einen Durchgang. Er war voller schwarzem Rauch, doch wenigstens hatten die Flammen sich noch nicht so weit vorgearbeitet. Wenn er es durch diesen Tunnel schaffte, würde er auf der anderen Seite in Sicherheit sein.
Die Hoffnung gab ihm neue Kraft und so stürzte Jack darauf zu. Doch plötzlich, die Rettung schon in Sicht, hörte er etwas, das ihn verharren und herumfahren ließ.
Über der zerstörten Steilküste erstreckte sich eine schmale Landzunge und darauf stand zitternd der letzte Überlebende der Wilden Herde und warf panisch den Kopf auf und nieder. Es war ein Fohlen – bestimmt nicht älter als zwei Wochen. Es hatte die langen Stelzenbeinchen gegrätscht, während die großen Ohren nervös zuckten. Eben erst hatte es mitansehen müssen, wie seine Mutter auf den erbarmungslosen Klippen weit unten aufgeprallt war, und auch der Boden, auf dem es selbst stand, rutschte allmählich ab.
Das war mehr, als der Kreuzbube ertragen konnte. Wenn er jetzt in den rauchigen Tunnel rannte, könnte er sich womöglich retten, doch das Fohlen wäre dem sicheren Tod geweiht. Das konnte er unmöglich zulassen!
Auf Zehenspitzen lief er vorsichtig über den bröckelnden Rand und streckte die Hand nach dem Fohlen aus, das ihn mit großen, schreckerfüllten Augen anstarrte.
»Ganz ruhig« , rief der Edelmann ihm zu. »Hier entlang. Ganz langsam, hab keine Angst. «
Das Fohlen scheute und schon gab die Erde nach. Das kleine Pferdchen rutschte aus, sodass nur noch seine Vorderbeine festen Halt hatten.
Mit einem erbärmlichen Wiehern stürzte es ab.
Da packte Jack zu. Er griff das Fohlen am Genick, an den Schultern, schließlich bekam er es unter dem Brustkorb zu fassen und konnte es auf das abbröckelnde Fleckchen Land ziehen. Obwohl es sich wehrte, hob er es weiter auf den Abhang hinauf, während immer mehr Sand in die Tiefe unter ihnen rieselte.
Einen Augenblick lang lagen die beiden schnaufend und erschöpft da. Dann sprang der Kreuzbube auf. »Hier können wir nicht bleiben’.« , erklärte er dem zu Tode verängstigten Fohlen. »Schon bald wird das Feuer uns jeden Fluchtweg abgeschnitten haben. Komm, hier entlang! «
Mit großen braunen Augen blickte das Fohlen ihn an. Tränen liefen ihm über das Gesicht. Der Kreuzbube machte den beißenden Rauch dafür verantwortlich, doch dann hörte er einen Laut, der ihm das Herz im Leib zerriss.
Nicht alle Pferde waren bei dem Sturz gestorben. Einige dort unten waren noch am Leben. Doch sie waren in die tiefen Becken gefallen, die von spitzen Felsen umringt waren, und konnten nicht entkommen, während andere in den Treibsand gestürzt waren. Sie standen noch immer Todesängste aus.
»Hör nicht hin« , redete er auf das Fohlen ein und legte die Hände um seinen zitternden Kopf. Mit zärtlicher, stockender Stimme begann er zu singen.
»Still, mein Kleines. Hör nicht auf den Lärm. Keine Angst, ich lass dich nicht allein. Bleib bei mir – sieh nicht zurück. Komm mit mir – komm mit mir. Fürchte dich nicht. Ganz ruhig, ganz ruhig. «
Das Fohlen kämpfte sich ungelenk auf die Beine und ließ sich von der tückischen Kante fortführen. Die ganze Zeit über sang ihm der Kreuzbube vor und schaute dem eingeschüchterten Tierchen ununterbrochen in die Augen. Inzwischen hatte das Feuer den Gang erreicht und leckte ins Innere. Auch der Rauch, der darin wogte, war dicker als zuvor.
Noch immer singend führte der Kreuzbube das Fohlen in die wabernden Dämpfe hinein, die sie schon bald vollständig verschluckten …
Conor Westlake ließ sich hustend und würgend in die Kissen sinken. Er wischte sich über die brennenden Augen, dann schlief er erschöpft ein – das Buch über die Dancing Jacks fest an sich gedrückt.
»Ich bin der Kreuzbube«, murmelte er unruhig. »Ich bin der Kreuzbube.«
20
Paul
Ich will KEINE Fragen über diesen Mann beantworten. Und ich will nicht, dass du dich noch mal bei mir meldest!
Trudy Bishop
Das Allererste, was Paul Thornbury am nächsten Morgen tat, war, seine E-Mails abzurufen. Trudys Antwort war so knapp und barsch, dass es schon fast gemein war. Paul überlegte, warum er sich beleidigende Nachrichten von völlig Fremden überhaupt zu Herzen nahm. Es konnte ihm ja eigentlich egal sein – war es aber nicht. Es war einfach nicht nett. Manche Leute vergaßen, dass ihre Worte von anderen
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