Dancing Jax - 01 - Auftakt
ihre feinsten Gewänder gekleidet, denn das Herbstfest war einer der prächtigsten Abende des Jahres. Jill betrachtete die Kleidung der beiden gründlich, bevor sie ihre Aufmerksamkeit den übrigen Gästen zuwandte.
»Wir auch! Wir wollen auch gucken!«, ertönte hinter ihr ein aufgeregtes Stimmchen.
»Wir wollen zuschauen, wir wollen die neuesten Kleider sehen!«, rief ein anderes.
Die Pikdame drehte sich um und blickte mürrisch nach unten. Zwei Lumpenpüppchen rannten die Galerie entlang, um sich zu ihr zu stellen. Eines der beiden humpelte. Sie liefen zum Geländer und steckten die weichen Köpfe zwischen die Balustrade.
»Oooh!«, rief Ashrella aus, die Puppe, die aus grauer und schwarzer Seide, Wollhaaren, einem Rüschenkleidchen und Glasperlenaugen gemacht war. »Die Herzkönigin wird immer fetter! Mit einem Apfel im Mund würde sie wie ein Spanferkel aussehen! «
»Aber sie wäre bestimmt nicht so lecker!«, spaßte die andere Lumpenpuppe kichernd. Sie bestand aus verschiedenen bunten Samtflicken und hatte goldene Knöpfe als Augen. In einem Bein hatte sie ein Mottenloch, weshalb sie es leicht nachzog. Sie war ein Geschenk des Schlüsselmeisters gewesen, als Jill noch ganz klein war. Um den Hals hatte man der Puppe zwei Schlüssel aus Stoff genäht, deshalb hatte das Mädchen sie Keykey getauft.
»Uuuui – da ist Langfinger-Jack!«, stieß Ashrella aus und deutete mit ihrer stummeligen Hand auf eine dünne Gestalt, die sich durch die Menschenmenge schob. »Er sieht blass aus. Hat er schon wieder im Kerker gesessen? Schau nur, wie er auf die Halsketten der Ladys stiert! Bei ihm dreht sich alles nur um Schätze, Schätze, Schätze, nicht wahr?«
»Und da ist seine Mutter!«, rief Keykey. »Was trägt sie denn da? Dieser Schleier passt ja überhaupt nicht zu der wollenen Robe mit den hässlichen Borten – so eine Vogelscheuche! «
»Und da drüben ist die Herzdame. Was für eine Schönheit sie doch geworden ist – viel schöner als unsere einfache, ständig schmollende Jill aus dem Hause Pik. Schau, wie sich alle nach ihr umdrehen – nicht sattsehen können sie sich! Lords wie Ladys – sie sabbern alle! «
»So eine hitzige Dirne! Sie genießt jeden Augenblick. Sogar die Pagen geraten vor Gaffen ins Stolpern, wenn sie vorübergleitet. Eine rücksichtslose Metze ist sie geworden. Ist vor ihr denn gar niemand mehr sicher?«
»Was für eine stattliche Schar von Rittern!«, seufzte Ashrella. »Wie ihre Rüstungen im Schein der Kerzen strahlen! «
»Noch nie habe ich so viele Reiter mit Kürassen auf einem Haufen gesehen! « Die andere Puppe kicherte.
»Und sieh dir nur die Frisur dieser Hofdame an – hat sie sich die Haare mit einem stumpfen Schwert geschnitten?«
Keykey hüpfte vor Aufregung auf und ab. »Da ist der Kreuzbube!«, quietschte sie. »Wahrlich schicklich ist er! «
»Ihm würde ich jederzeit erlauben, meine Nähte aufzutrennen!«, stimmte Ashrella zu, die den Kopf weit durch die Balustrade geschoben hatte. »Solch wohlgeformte Beine sitzen in diesen Strümpfen und wie gut seinen strammen Schultern die hängenden Ärmel stehen! «
»Oh, oh! Schau, da ist Malinda! Sie hat noch immer dieses alte rosa Kleid mit der goldenen Spitze und den Sternen! Besorg dir mal was Neues von den Händlern, Liebchen! «
»Oder verschönere es wenigstens mit etwas Putz! Ein neues Hängetäschchen, goldene Tanzschuhe, ein juwelenbesetztes Tuch … selbst eine dieser zweihörnigen Hauben würde diesen ermüdenden alten Aufzug verschönern. Wäscht sie dieses Kleid eigentlich jemals? Sieht gehörig muffig aus. «
»Wahrscheinlich stinkt sie nach Alte-Frauen-Pisse. «
»Kein Wunder, dass sie draußen im Wald lebt – weit weg von den empfindsamen Nasen der Adeligen. «
»Und schau dir den Ismus an! Oh, wie gut er in schwarzem Samt aussieht! «
»Labella auch, Purpur steht ihr gut zu Gesicht. «
»Nee, der Ismus könnte eine bessere Partie machen – und das macht er ja auch, andauernd! «
Die Puppen kicherten.
»Was habt ihr zwei hier verloren?« , fuhr die Pikdame Jill sie wütend an.
Zunächst ignorierten die Puppen sie, bis sie einen Mann bemerkten, der durch die Gästeschar unter ihnen schlenderte. Er war in ein enges Gewand aus karamellfarbenem Leder gekleidet, dazu trug er einen passenden Hut. Sofort traten die Puppen einen Schritt zurück und verkrochen sich ängstlich im Schatten.
»Nun?« , fragte die Pikdame ungeduldig. »Wie seid ihr herausgekommen? Warum seid ihr hier?«
Ashrella
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