Dancing Jax - 01 - Auftakt
Stockwerk. Als sie dort ankam, war sie außer Atem.
»Du bist gemein!«, hielt Ashrella ihr vor. »Wir haben ihr schon gesagt, dass du gemein bist. «
Jill hielt inne, bevor sie die Tür zu ihrem Gemach öffnete. »Wem habt ihr das gesagt?« , wollte sie wissen.
»Derjenigen, die uns rausgelassen hat, natürlich« , antwortete Keykey. »Was meinst du, wie wir sonst aus diesem fiesen, abgesperrten Schrank flüchten konnten?«
»Wer hat euch herausgelassen?« , verlangte das Mädchen zu wissen. »Wer hat es gewagt, mein Schlafgemach zu betreten?«
»Die, die dort noch immer wartet« , erwiderte Ashrella mit einem listigen Lächeln.
Die Pikdame warf der Tür einen finsteren Blick zu. Dann schleuderte sie die Puppen auf den Boden, wo sie wimmernd aufschlugen. Sie hüpften jedoch gleich wieder auf und hämmerten mit ihren weichen, handschuhgleichen Händen auf Jills Beine ein. Die Schläge spürte sie nicht einmal. Ihre Aufmerksamkeit galt einzig und allein dieser Tür. Ausgesprochen leise griff sie nach dem versteckten Dolch, den sie immer bei sich trug – mit einem Band an ihren Arm gebunden und unter dem Ärmel verborgen. Dann trat sie die Tür weit auf und sprang in die Kammer.
Einen Herzschlag lang stand Jill lauernd da, bereit, jederzeit zuzustechen. Doch der erwartete Angriff blieb aus. Rasch ließ sie ihre Blicke durch den Raum gleiten. Das Bett, das mit schwarzen, perlenbesetzten Spitzentüchern verhängt war, war leer und auch darunter hielt sich niemand versteckt. Ebenso wenig lauerte jemand hinter den Kommoden und Schränken. Erst als ein weiterer Blitz donnernd über dem Turm aufleuchtete, sah die Pikdame sie.
Dort, auf dem Sims des Rundbogenfensters, hockte eine alte weise Frau. Auf ihrem Kopf saß ein spitzer Hut, den sie mit breiten braunen Bändern unter dem mit Warzen übersäten Kinn befestigt hatte. Über den lumpigen Kleidern trug sie einen dunkelgrünen Umhang und in den knorrigen Händen hielt sie eine zweiforkige Heugabel.
»Haxxentrot!«, schrie Jill.
Glucksend hob die Hexe ihre Heugabel zum Gruß. »Welch glücklicher Zufall, dass wir uns heute treffen, in dieser Nacht des Erntefestes, meine finstere kleine Maid« , empfing sie Jill.
»Scher dich fort!«, befahl das Mädchen. »Bevor ich die Wachen hole. Du hast hier nichts zu schaffen! «
»Nichts zu schaffen?« , kreischte die Hexe. »Nichts zu schaffen? Hast du schon vergessen, wer dir Spielgefährten beschert hat, als keins der anderen Kinder dich ertragen wollte? Ein eigenbrötlerisches, hasserfülltes Balg warst du, doch nun bist du auf dem besten Wege, eine durchtriebene Frau ohne Herz zu werden. Wer sonst, wenn nicht Haxxentrot, hätte etwas mit dir zu schaffen?«
»Wachen!«, rief das Mädchen. »Rasch! «
»Wie töricht« , sagte die Hexe, welche die Punchinello-Wachen schon den Nordturm hinaufstampfen hörte. »Nun bin ich gezwungen, flink und rücksichtslos zu sein. « Damit klatschte sie in die knochigen Hände, woraufhin die beiden Lumpenpüppchen zu ihr hinüberflitzten und auf ihren Schoß kletterten.
»Gute Mutter!«, riefen sie froh. »Trag uns fort von hier. Es gefällt uns hier nicht. Du wirst uns nicht in einen Schrank sperren. Du wirst uns nicht vergessen. «
Das alte Weib beugte den hässlichen Kopf, um den beiden einen Kuss zu geben, dann funkelte sie Jill an. »Du hättest besser achtgeben sollen auf deine Spielgefährten, mein finsteres Fräulein. Nun gehorchen sie mir. Wenn die alte Haxxentrot ihnen aufträgt, ins Feuer zu springen, werden sie das tun – aus freiem Willen. Und du weißt, was das für dich bedeuten würde. «
Mit offenem Mund stand die Pikdame keuchend da. Nun war sie der Hexe ganz und gar ausgeliefert.
Das Getöse der Wachen war bereits auf der Wendeltreppe zu hören.
»Was willst du von mir?« , fragte das Mädchen verzweifelt.
»Viel. « Das alte Weib kicherte und bleckte die Zähne. »Doch heute Nacht werde ich mich mit zweierlei zufriedengeben. «
»Sprich. «
»Bring mir Malindas Zauberstab« , forderte sie mit einem gierigen Gackern.
Auf Jills Miene zeichneten sich Entsetzen und Missbilligung ab, solch eine unmögliche Forderung! »Und das Zweite?« , fragte sie.
Haxxentrot hielt eine kleine grüne Glasflasche hoch. Wieder zuckte ein knisternder Blitz durch die Nacht und tauchte das Schlafgemach in unheilvolle, tanzende Schatten.
»Wenn die Feier vorüber ist« , krächzte sie, »wenn die Pantomimen die Damen hinaus auf die Zinnen führen und all die feinen Eheweiber und
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