Dancing Jax - 01 - Auftakt
flache Naturschutzgebiet bis zum Meer. Weiter entfernt glitzerten die Lichter der Stadt. Als Emma die letzte Stufe betrat, traute sie sich zum ersten Mal, einen Blick hinter sich zu werfen.
Dieser Teil des Schutzgebiets, nahe des Landguard Forts, war leer. Keine Bewegung, kein Anzeichen irgendwelcher Verrückter war auszumachen. Niemand folgte ihr. Was für eine gewaltige Erleichterung! Schlagartig, mit der Wucht einer eiskalten Welle, wichen die Angst und die Sorge von ihr – Emma wurde augenblicklich wieder munter und fühlte sich, als würde sie auf Wolken schweben.
Den Zeigefinger hoch in die Luft erhoben, hüpfte sie aufgedreht gackernd auf und ab. Denen hatte sie es gezeigt!
»Das habt ihr davon, ihr Loser!«, krähte sie, fast enttäuscht darüber, dass die Verrückten so schnell aufgegeben hatten. »Blöde Trottel!«
Allerdings war sie in ihrem ausgelassenen Herumgehüpfe zu überschwänglich und leichtsinnig. Sie kam schief auf, verlor den Halt und rutschte ein Stück den Hügel hinunter.
Sand spuckend, brüllte Emma der Welt in wilden Beschimpfungen ihren Zorn entgegen, bevor sie wieder nach oben kletterte.
Plötzlich tatschte sie mit der Hand in etwas Feuchtes, Warmes. Mit großen Augen starrte das Mädchen auf das Büschel Dünengras vor sich. Selbst im Zwielicht konnte sie erkennen, was dort vor ihr lag, und angewidert stieß sie einen kurzen Schrei aus.
Es waren die zerfetzten Überreste eines Kaninchens – eines erst kürzlich getöteten und überaus entstellten Kaninchens.
Emma rappelte sich auf und wischte sich das Blut von den Händen, während sie zurück zum Kammweg ging.
»Wäh – eklig!«, würgte sie heraus. »Das ist so was von widerlich! Ich glaub, mir wird –« Sie verstummte, als ihr Blick etwas streifte – etwas hatte sich da unten in der Düsternis des Naturschutzgebietes bewegt. Eine bullige Gestalt zischte von einem Ginsterbusch zum nächsten, flitzte schnell über den Boden, hielt sich jedoch immer in den Schatten. Was war das? Ganz bestimmt kein Hund – dafür war es zu groß –, aber was dann? So, wie es sich bewegte, musste Emma zwangsweise an einen Gorilla denken, aber das konnte nicht sein.
»Was zum Teufel ist das?«, hauchte sie. Furcht überkam sie.
Als sie einen kurzen Blick auf zwei zottige Arme erhaschte, glaubte sie fast, dass es doch ein großer Affe war – vielleicht war er aus einem Zoo ausgebrochen? Doch als das Wesen ein weiteres Mal seine Deckung verließ und zum nächsten Strauch rannte, sah Emma den geduckten, muskulösen Körper und die kräftigen Hinterbeine, die nicht zu einem Affen gehören konnten. Eins war allerdings gewiss – es kam auf sie zu.
»Das kann doch nicht sein«, flüsterte Emma, während sich eine Gänsehaut auf ihrem Körper ausbreitete.
Die geheimnisvolle Kreatur hüpfte auf den geteerten Weg, sodass Emma nun auch die Hörner sehen konnte, die sich aus seinem Kopf schraubten. Ein Paar glühender gelber Augen durchbohrte feindselig die Dunkelheit.
»Das ist nicht echt …«, nuschelte sie kopfschüttelnd. »Geht nicht …«
Als hätte es sie gehört, blieb das Geschöpf urplötzlich stehen. Die bösartigen Augen starrten finster über das karge Land und richteten sich dann direkt auf Emma. Sie fiel vor Angst und Entsetzen auf die Knie, aber es war schon zu spät. Dieses Wesen – was es auch war – hatte sie entdeckt.
Sie wollte losschreien und wäre vor Furcht beinahe wieder den Hügel hinuntergerannt. Doch in diesem Moment warf die Gestalt den Kopf in den Nacken und stieß ein wildes, bestialisches Gebrüll aus. Dann kam es geradewegs auf die Dünen zugestürmt.
Ein stummer, erstickter Schrei presste sich durch Emmas Lippen, als das Monster auf die erste Stufe der Treppe zu ihren Füßen sprang. Starr vor Schreck erblickte sie einen breiten, nach unten verzogenen Mund, der in einem abstoßenden, großen Kopf saß, und viele spitze, gezackte Zähne. Sie sah die Muskeln in den mächtigen Schultern arbeiten, als die affenartigen Arme die Kreatur den Berg zu ihr hinauftrugen, und sie hörte das harsche Schnaufen des schwefeligen Atems.
Dann, schließlich, fand Emma ihre Stimme wieder. »Scheiße!« Sie wirbelte herum und rannte los. Der Dämon hechtete über die oberste Stufe und landete mit einem schadenfrohen, gurgelnden Grollen auf dem Fußweg. Das grässliche Feuer in seinen glühenden Augen richtete sich auf sie. Dann zog das Monster den scheußlichen Kopf zwischen die Schultern zurück und knirschte mit den
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