Dancing Jax - 01 - Auftakt
Kamera so ruhig, wie seine fieberhafte Vorfreude es zuließ.
Der Totengräber lief langsam und feierlich auf die Kirche zu und die Sargträger folgten. Der überfüllte Friedhof verharrte in respektvoller Stille. Kein einziges Schniefen war zu hören, und dann …
»Halt!«, rief jemand.
Ein Raunen ging durch die Menge und jeder einzelne Kopf wandte sich dem Friedhofstor zu. Da kam jemand.
»Hältst du drauf?«, knurrte Lyndsay Gavin an, während sie sich zu ihm durchboxte. »Was, verflucht, geht hier vor?«
»Keine Ahnung«, flüsterte er zurück. »Aber du wolltest ein Quoten-Highlight und ich schätze, du kriegst es.«
»Machst du Witze – das hier ist noch besser als eine Weihnachtsfolge der EastEnders! Warte, ich will mit drauf. Sieh zu, dass du alles in Großaufnahme hast. Ich stell mich ganz an die Seite – aber ich muss mit auf diese Bilder! Das wird vielleicht in der ganzen Welt ausgestrahlt.«
»Halt!«, ertönte die fremde Stimme erneut. Es klang nach einem Mädchen. »Stoppt die Beerdigung!«
Der Totengräber drehte sich elegant auf nur einem Fuß um und hielt eine Hand in die Höhe, um die Sargträger zum Stillstehen aufzufordern. Jetzt konnte jeder das Klackern von hohen Absätzen vernehmen, die über die Straße eilten, und ein aufgeregtes Tuscheln erfasste die, die erkannten, wer sich da näherte.
Gavin war einer der Letzten, der sah, wer da kam. Die blöden Särge waren im Weg! Dann erblickte er auf dem LCD-Schirm seiner Kamera ein Paar glänzende schwarze Stiefeletten. Er schwenkte mit der Kamera herum. Die dazugehörigen Beine steckten in Netzstrumpfhosen und schienen kein Ende zu nehmen.
Lyndsay starrte mit offenem Mund. Das war der kürzeste Rock, den sie jemals außerhalb eines Nachtclubs gesehen hatte – und zweifelsohne etwas, das sie selbst nie im Leben tragen würde, oder überhaupt könnte, angesichts ihrer Cellulitis und ihrer dürren Knöchel.
Doch was das verwegene schwarze Outfit vorne zu wenig hatte, wurde hinten wieder wettgemacht. Eine ellenlange Taftschleppe schleifte hinter der Kleinen auf dem Boden. Das Oberteil des Kleides war mit zahllosen Strasssteinchen besetzt, die über ihrem Bauch ein großes glitzerndes Pik formten.
Gavin wollte eine Nahaufnahme vom Gesicht machen, doch die verwegen aussehende Nachzüglerin trug einen schwarzen Seidenhut mit einem dazu passenden Spitzenschleier, der keine Einzelheiten erkennen ließ. Auf jeden Fall war sie jung, so viel konnte er ausmachen.
Während das Mädchen zwischen den Särgen hindurchging, fuhr sie mit den Fingern, die in Seidenhandschuhen steckten, über das Holz. Dann hob sie mit dramatischer Geste den Schleier von ihrem Gesicht.
»Die Pikdame!«, stieß die Menge aus. Jemand applaudierte. Hier und da hörte man unterdrücktes Gelächter. Einer der Väter der verstorbenen Mädchen lächelte nachsichtig.
Lyndsay warf Gavin einen bestürzten Blick zu und demonstrierte der Kamera stumm ihre Fassungslosigkeit. Die Fotografen knipsten wild drauflos.
Emma Taylor zog eine Riesenshow ab – sie drückte beiden Särgen einen Kuss auf und stellte sicher, dass die Presseleute sie auch ja aus jedem Winkel ablichteten. Dann entdeckte sie Gavin und wandte sich unauffällig seiner Kameralinse zu.
»Ashleigh und Keeley waren Emmas … waren meine besten Freundinnen. Ich bin heute hierhergekommen, um ein Geständnis abzulegen. Ich war diejenige, die das Große Unglück verursacht hat. Ich, Emma Taylor, saß neben Danny Marlow im Auto. Ich bin schuld daran, dass er den Unfall verursacht hat. Ich habe ihm meine glühende Zigarette auf die Hand gedrückt. Ich habe das Auto in Brand gesteckt. Das Blut aller einundvierzig Menschen klebt an meinen Händen! Ich bin für all das verantwortlich. Ich – Emma Taylor! Gepriesen sei der Tag!« Triumphierend warf sie den Kopf in den Nacken.
Die Umstehenden wiederholten ihren Segensgruß mit großem Jubelgeschrei und klatschten. Ein Hoch auf die Pikdame! Auf sie war doch immer Verlass, sie brachte Schwung in jegliche Situation – sogar in dieser langweiligen, falschen Welt. Die Fotografen flippten aus. Sie stürmten nach vorne und umringten Emma. Eilig gesellte sich auch Lyndsay zu ihnen und zerrte Gavin hinter sich her. Auch der Pfarrer, der eben aus der Kirche trat, nickte anerkennend. »Oh ja! Gepriesen sei der Tag!«, rief er aus und presste ein grün-beigefarbenes Buch an die Brust.
Die Hände in die Hüften gestemmt warf die Pikdame ihr Haar zurück und lachte. Genau hiervon hatte
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