Dancing Jax - 01 - Auftakt
sie, wie Mauger zurück auf die Straße hechtete und ihnen hinterherjagte.
»So viel zur Geschwindigkeitsbegrenzung von dreißig Meilen die Stunde«, sagte sie, als der Tachometer erst auf sechzig, dann siebzig hochschnellte. Der grauenhafte Umriss des Monsters fiel immer weiter zurück und war schon bald in der Dunkelheit hinter ihnen verschwunden. Ein trauriges und frustriertes Heulen, das durch Mark und Bein ging, schallte über die offenen Felder.
Evelyn wartete, bis Martin so weit zu Atem gekommen war, dass er wieder sprechen konnte.
»Danke«, sagte er schließlich. »Wenn Sie nicht aufgetaucht waren – oder auch nur eine Sekunde später …«
»Lieber Junge, haben Sie wirklich geglaubt, ich würde Sie ganz allein an diesen teuflischen Ort gehen lassen?«
»Dann waren Sie das also – verkleidet als Jockey? Sie haben die richtig reingelegt – und mich obendrein!«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Haben Sie mich denn nicht aus dem Gewächshaus gerettet? Waren das nicht Sie, die diese Molotowcocktails geworfen hat? In diesem komischen Kostüm?«
»Komisches Kostüm?«, fragte Evelyn überrascht. »Martin, wofür halten Sie mich? Und wer soll dieser Jockey überhaupt sein, von dem Sie da reden?«
Der Mathelehrer wusste nicht, ob sie ihn aufzog oder es ernst meinte, und wünschte, Gerald hätte nicht ausgerechnet heute Evelyn das Feld überlassen. Verstohlen warf er einen Blick auf den Rücksitz und rechnete fast damit, das Lederkostüm des Jockeys dort vorzufinden. Doch der Sitz war leer. Vielleicht lag der Anzug ja im Kofferraum.
Martin starrte auf die finstere Straße vor sich und versuchte, das alles zu begreifen.
»Ich habe ihn gesehen«, sagte er nach einer Weile. »Und mit ihm geredet – Austerly Fellows. Alles ist wahr.«
»Haben Sie auch herausgefunden, wo Paul steckt?«
»Er hat ihn.«
»Dann können wir allein nichts ausrichten«, sagte Evelyn mit ausdrucksloser Stimme. »Wir müssen noch heute Nacht raus aus Felixstowe und Hilfe von außen holen. Das ist unsere einzige Chance – die einzige Chance für alle.«
Martin dachte scharf nach. »Nein«, sagte er dann. »Eine Hoffnung gibt es vielleicht noch. Aber dafür muss ich bis morgen früh warten.«
»Wir sollten wirklich keine Zeit verschwenden, Martin.«
»Wir müssen warten.«
»Na schön, wenn Sie sich sicher sind. Aber Sie und Carol, Sie müssen aus Ihrem Haus. Dort ist es nicht mehr sicher. Am besten kommen Sie zu mir – zu Gerald.«
Martin hatte nichts einzuwenden. Dann wurde ihm mit einem Mal etwas bewusst – der Ismus war zu dem alten Haus gekommen, weil er wusste, dass Martin dort sein würde. Warum sonst hätte er den Phaser und die anderen Sachen dabeihaben sollen, die Paul gestohlen hatte? Doch wer außer Evelyn hatte gewusst, dass er heute dort hinfahren würde? Wer sonst hätte es dem Ismus verraten können?
Martin warf der Person hinter dem Steuer einen kurzen, argwöhnischen Blick zu. Evelyns Miene war entschlossen und ernst. Martin fragte sich, was sich hinter dem Make-up und der Perücke vielleicht sonst noch verbarg. Schlagartig begriff Martin Baxter, dass er absolut niemandem mehr trauen konnte.
29
»… Mehr skandalöse Behauptungen, was das englische Team betrifft, haben wir später in der Sendung für Sie. Aber nun schalten wir zurück nach Felixstowe, von wo aus Lyndsay Draymore über den Gedenkgottesdienst berichtet, der dort heute abgehalten wird – Lyndsay.«
»In der Tat ein besonders trauriger Sonntagmorgen hier in Felixstowe, Tara. Vor neun Tagen wurde die Stadt in Suffolk von der Katastrophe heimgesucht, die als das ›Große Unglück von Felixstowe‹ Geschichte machte. Ein Auto, gefahren von dem fünfzehnjährigen Daniel Marlow, prallte in eine Gruppe junger Menschen und explodierte. Daniel und seine drei Mitfahrer starben sofort, doch insgesamt gab es einundvierzig Todesopfer in jener Nacht. Noch ist die Polizei keinen Schritt weiter, die Ursache für diesen furchtbaren Unfall ist weiterhin unklar. Heute finden die ersten acht Begräbnisse statt – alles Schüler der Highschool vor Ort.«
»Das ist die Schule, die allgemein als Rowdy-Schule bezeichnet wird, oder, Lyndsay?«, unterbrach sie die Studiosprecherin, rutschte auf ihrem Stuhl hinter dem Nachrichtenpult ein Stück weiter vor und fuhrwerkte mit ihrem Stift vor der grünen Leinwand herum, auf die das Bild der Reporterin projiziert wurde. Taras leidenschaftliches Stiftfuchteln gehörte zu ihren Markenzeichen. Für
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