Dancing Jax - 01 - Auftakt
die niedrige Kaimauer und in Richtung Strand geweht. Die Frau wurde beiseitegestoßen und ihr wütendes Gejammer verklang unbeachtet.
Der Jangler kicherte in sich hinein. Seine Geldkassette platzte aus allen Nähten. Er musste sich das Geld bereits in seine Taschen stecken und als auch dort beim besten Willen nichts mehr hineinging, warf er es in die leeren Kisten.
Zahllose Hände reckten sich, um Bücher oder auch ein Glas Minchet zu erflehen. Hätten sie einen Lkw mit zehntausend Exemplaren gehabt, auch die hätten sie an diesem Morgen bis auf das letzte verkauft.
In diesem Moment eilte auch Martin Baxter zum Parkplatz und betrachtete fassungslos das Geschehen.
Er und Carol hatten eine von Sorgen geplagte Nacht bei Gerald verbracht. Carol war niedergeschlagen, aber ruhig gewesen. Der Stress der letzten Tage forderte seinen Tribut. Es hatte sie beruhigt, zu erfahren, dass ihr Sohn »in Sicherheit« war, auch wenn Martin erklärt hatte, dass das nicht ganz der richtige Ausdruck war. Trotzdem hatte sie besser geschlafen als in den Nächten zuvor. Allein schon etwas Neues von Paul zu erfahren, war ein kleiner Trost.
Nach allem, was Martin am Abend zuvor erlebt hatte, hatte er sich fast nicht getraut, sich schlafen zu legen, doch schließlich war er in einem Lehnsessel weggenickt – wenigstens hatte er keine Albträume gehabt.
Bei Tagesanbruch hatte Gerald ihn geweckt. Der liebenswerte alte Herr war wieder ganz er selbst und Martin fiel auf, dass auch Evelyns kleine häusliche Veränderungen wieder aus dem Wohnzimmer verschwunden waren. Er fragte sich, wann und ob sie noch einmal in Erscheinung treten würde. Dennoch machten ihm die Zweifel und Verdächtigungen der vergangenen Nacht noch immer zu schaffen. Er konnte Gerald schlichtweg nicht trauen und weigerte sich, ihn in seine Pläne einzuweihen. Falls er den alten Mann damit gekränkt hatte, verbarg der es meisterlich.
Martins einzige Hoffnung – was er strikt für sich behielt und nicht einmal Carol verriet – war seine frühere Schülerin Shiela Doyle. Letzte Woche hatte sie sich so um Pauls Wohlergehen gesorgt. Sicherlich würde sie ihm helfen, falls sie wusste, wo der Ismus Paul versteckt hielt. Aus diesem Grund hatte Martin sich Geralds Auto ausgeliehen und war damit zum Martello Tower gefahren. Carol war früh aufgebrochen, um ihre Mutter abzuholen. Sobald sie Paul gefunden hatten, würden sie Felixstowe verlassen und versuchen, die zuständigen Stellen zu informieren. Vergangene Nacht hatten sie beratschlagt, ob sie die Polizei in Ipswich telefonisch verständigen sollten, hatten sich jedoch dagegen entschieden. Diese verrückte Geschichte mussten sie persönlich schildern, um nicht als Irre abgestempelt zu werden – und das würde schon schwer genug werden.
Martin stieß vor Wut und Verblüffung einen kleinen Grunzer aus, als er den Parkplatz betrat. Eine solche Flut von Leuten hatte er so früh noch nicht erwartet. Es mussten mehrere Tausend sein – und jeder Einzelne davon war versessen auf eins der Dancing Jacks -Bücher. Doch eigentlich war es keine so große Überraschung. So viele waren inzwischen dem Bann von Austerly Fellows erlegen, aber nicht alle hatten ein eigenes Buch, das sie verschlingen konnten, wenn sie ihren nächsten Mooncaster-Fix brauchten. Sie waren abhängig von Familienmitgliedern oder Freunden und würden nicht eher Ruhe geben, bis jeder seine eigene Ausgabe hatte.
Martin kletterte auf die Kaimauer und blickte über die Abertausende von Köpfen und erspähte Shiela bei dem schwarzen Sprinter. Er würde sich vordrängeln müssen – das würde kein Spaß werden.
Er hüpfte von der Mauer und kämpfte sich rempelnd Stück für Stück vorwärts. Alle um ihn herum hatten geweitete Pupillen und die meisten außerdem besudelte Lippen. Mit Schrecken wurde Martin bewusst, dass er als Einziger keine Spielkarte trug. Daran hätte er denken müssen! Was sollte er machen, wenn ihn jemand danach fragte?
Es ging nur langsam vorwärts. Jeder Schritt war ein anstrengender Kampf. Allmählich riss Martin der Geduldsfaden. Am liebsten hätte er jemanden geschubst – egal, wen. Einigen Leuten passte es nicht, dass er sich vordrängeln wollte. Trudy Bishop, die Immobilienmaklerin, fuhr ihn verärgert an und beschimpfte ihn. Doktor Ian Meadows, dessen Gesicht ganz verschmiert war und von dessen Kinn Minchetsaft tropfte, stierte ihn böse an, war aber zu sehr damit beschäftigt, einen Klumpen fleischige Minchetfrucht zu kauen, um Martin
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