Dancing Jax - 01 - Auftakt
Treppe heruntergepoltert, begleitet von einem dumpfen metallenen Scheppern wie von einer übergroßen Bleiglocke. Gleich einer Lawine aus alten Bettgestellen glitt es hinunter auf den Treppenabsatz, auf dem Miller an diesem Nachmittag seinen schlimmen Schock erlitten hatte, und donnerte gegen die Wand unter dem vernagelten Fenster.
Die zwei Männer standen mit offenen Mündern da, während sie darauf warteten, dass die Echos, die durch jeden Raum hallten und das zerbrochene Glas in den Fensterrahmen beben ließen, verebbten.
Dann tauchte am Geländer über ihnen das verschwitzte, gespenstisch bleiche Gesicht von Jezza auf, der leise lachte.
»Großer Gott!« Schwer atmend, zeigte Howie auf das Ungetüm, das in die Holzverkleidung der Wand gekracht war. »Was zum Teufel ist das?«
6
Und solange der Prinz der Dämmerung im Exil weilte, sandte er weder Nachricht noch Lebenszeichen in sein Königreich. Daher vertrieben sich der Ismus und seine Untertanen, während sie warteten, die Tage mit Lustbarkeit und herrlichen Vergnügungen. Jedoch findet jeder Jubel sein Ende, wenn die Feiernden seiner überdrüssig werden, doch immer noch blieb der Thron leer und keine Neuigkeit erreichte Mooncaster … O, wie sehnten sie sich nach neuer Kunde!
»Man hat mir meine Identität geklaut!«, schrie Carol Martin Baxter entgegen, sobald er die Haustür aufmachte.
»Und wer bist du jetzt?«
»Irgendein Dreckskerl hat meine Kreditkarte benutzt, um zwei Flüge nach Barcelona, einen gigantischen Flachbildschirm und einen Wäschetrockner zu kaufen! Ach, und dann haben sie bei Amazon auch noch mal kräftig zugeschlagen. Um fast viertausend Pfund haben sie mich geprellt!«
»Dir auch ein herzliches Hallo!«, begrüßte er sie.
»Ich bin so was von stinksauer!« Sie schäumte vor Wut und wedelte mit einem Kontoauszug herum, den sie gerade frisch ausgedruckt hatte.
»Und ich bin Martin. Soll ich noch mal rausgehen und wieder reinkommen?«
Einen Moment lang starrte Carol ihn feindselig an, dann verzog sie das Gesicht zu einer Grimasse und lächelte schließlich. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich meine – ich bin ja versichert. Das Geld habe ich also nicht wirklich verloren. Trotzdem kann ich es nicht fassen! Ich habe gerade über eine Stunde telefoniert, um alles zu klären. Hält man das für möglich? Wie können diese Typen es wagen?«
»Die Welt ist voller Abschaum. Das reinste Irrenhaus. Ich meine, man muss jedes bisschen persönlichen Kram von jedem Brief, jeder Rechnung und jedem Kuvert kratzen, bevor man etwas wegwirft, sonst haben sie dich sofort am Schlafittchen. Zerstör dich selbst, bevor es ein anderer macht. Aber davon mal abgesehen – du glaubst nicht, was mir heute passiert ist! Wo steckt eigentlich Paul?«
Sie deutete nach oben.
»Wo sonst, blöde Frage«, bemerkte Martin.
Carol ging auf ihn zu und begrüßte ihn diesmal richtig, mit einem Kuss und einer Umarmung. »Ein bisschen was von den Ereignissen deines Tages habe ich schon mitgekriegt«, sagte sie. »Meine Mum hat angerufen – irgendein Nachbar hat ihr alles erzählt. Hat sich ziemlich schlimm angehört.«
»Das war’s auch! Ich bin wirklich froh, dass du Paul heute abgeholt hast, um ihn zu Gerald zu bringen. Es war völlig verrückt.«
»Ich wollte mich gerade umziehen. Um neun fängt meine Schicht an. Wir haben dir was von der Lasagne aufgehoben. Ich wärm sie dir noch schnell in der Mikrowelle auf.«
»Danke – ich könnte ein Pferd verdrücken!«
Martin zog sich die Jacke aus und hängte sie in den engen Flur, um Carol anschließend in die Küche zu folgen.
Carol Thornbury war eine attraktive Frau – sieben Jahre jünger als er – mit dunkelbraunem Haar und einem lebhaften Temperament. Hätte er sie mit nur einem Wort beschreiben müssen, dann wäre es kompetent gewesen. Als Krankenschwester blieb ihr allerdings wohl auch nichts anderes übrig. Egal, was das Leben ihr bescherte, sie regelte es in ihrer ureigenen pragmatischen Art. Für gewöhnlich regte sie sich erst einmal gründlich darüber auf, aber dann setzte sie immer schnell ihren gesunden Menschenverstand ein, um sich dem Problem zu widmen, was es auch sei, und das ganz ohne jeden unnötigen Wirbel oder Aufstand. Als ihr Mann sie und ihren gemeinsamen fünfjährigen Sohn einfach hatte sitzen lassen, hatte sie mit dem ganzen Schlamassel ebenso rasch aufgeräumt wie mit allem anderen in ihrem Leben. Mehrere Jahre lang war sie auch ohne Mann bestens zurechtgekommen, bis sie
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