Dancing Jax - 01 - Auftakt
meine Nummer?«
»Nicky Dobbs hat sie mir gegeben. Ich wusste noch, dass ihr früher öfter ausgegangen seid –«
»Nicky Dobbs ist der letzte Depp.«
»Also jedenfalls dachte ich, ich –«
»Was willst du?«
»Es ist wegen … Du weißt schon. Hier kann ich mit keinem drüber reden. Sie würden es ja doch nicht verstehen.«
»Also ich will nicht drüber reden.«
»Aber du warst in dem Auto – du weißt, was passiert ist. Und die Polizei wird bald Fragen stellen …«
Jetzt wurde Emma wütend. »Willst du mich verpfeifen?«
»Du bist bestimmt auch von anderen gesehen worden.«
»Die waren alle viel zu beschäftigt damit, um ihr Leben zu rennen. Nur du und ich wissen, dass ich in dem Auto war. Danny, Kevin, B. O. und Brian werden ja schließlich keinem mehr davon erzählen, oder? Sind alle verbrannt und Geschichte. Du hast genau wie ich gesehen, wie Kevin als lebende Fackel herumgehüpft ist. Halt also ja die Klappe, kapiert?«
Am anderen Ende herrschte Stille.
»Hast du kapiert?«
»Ich weiß nicht recht«, sagte Conor schließlich. »In meinem Kopf geht alles drunter und drüber.«
»Dann gib dir mehr Mühe!«, blaffte sie ihn an. »Meinst du nicht, ich hab schon genug mitgemacht?«
»Doch, klar.«
»Aber jetzt willst du mir auch noch die Bullen auf den Hals hetzen, ja? Ich bin ja nicht mal gefahren!«
»Nein. Weiß nich. Ich kann nicht denken.«
Emma knirschte mit den Zähnen. »Hör zu«, sagte sie, »dass ich heut noch mal aus dem Haus komme, kann ich vergessen. Meine Alten sind zwar zu nichts zu gebrauchen, meinen aber, dass ich in die Klapse soll, damit sie auch noch für mein Trauma kassieren können. Morgen werd ich sie bearbeiten und dann können wir uns sehen, klar? Dann besprechen wir alles, ja?«
»Morgen? Ich weiß nicht, ob ich so lange –«
»Einen beschissenen Tag mehr wirst du ja wohl aushalten können, oder?«
»Okay, okay.«
»Unten am Flohmarkt dann, so gegen drei.«
»Am Flohmarkt?«
»Wo sonst ist denn hier sonntags was los? Ganz bestimmt werd ich mit dir nicht an ’nem einsamen Strand rumlatschen – das wird kein Date!«
»Ich wollte auch keins!«
»Dann bis morgen.«
»Ähm … Emma …?«
»Was?«
»Tut mir leid wegen Keeley und Ashleigh.«
Emmas Mund wurde trocken. »Ja«, sagte sie. »Danke.« Sie legte auf und schloss die Augen. Sofort kehrten die Erinnerungen an ihre beiden Freundinnen wieder, ihre Gesichter, die im Scheinwerferlicht des Fiestas auftauchten.
Emma riss die Augen mit Gewalt auf und starrte weiter die Tapete an.
Der restliche Tag verlief für die unter Schock stehende Stadt äußerst ruhig.
Am Sonntag waren die Zeitungen voll davon. Sensationslüstern hatte man willkürliche Augenzeugenberichte von Stadtbewohnern gesammelt – von wem, war egal, Hauptsache, sie redeten. Die Hälfte derer, die man interviewt hatte, war nicht einmal dabei gewesen. Es gab auch eine zweiseitige Skizze, die den Verlauf des Unfalls beschrieb. Kleine Pfeile zeigten an, wo genau das Auto auf das zweite geprallt und explodiert war. Es gab Fotos von den Verstorbenen – alles lächelnde junge Menschen. Zum Verursacher des Desasters hatte man Danny Marlow erklärt, aber keiner seiner Familienangehörigen, vor allem nicht sein Bruder, waren bereit, ein Interview zu geben, weshalb sich die Zeitungen mit den Gerüchten hatten zufriedengeben müssen, die sie von Nachbarn und »engen Freunden der Familie«, die nicht genannt werden wollten, geliefert bekamen.
Neben all dem gab es selbstverständlich die üblichen Panikmacher – Artikel über die Risiken des Internets. Im Radio waren sporadische O-Töne von Prominenten zu hören, deren Stern im Sinken war und deren Agenten sich überschlagen hatten, den Sendern die Beileidsbekundungen ihrer Klienten anzubieten, auch wenn die meisten davon keine Ahnung hatten, wo Felixstowe überhaupt lag. Für einen Teenie-Popstar war hastig ein Fotoshooting organisiert worden, wofür das Starlet neckisch-verschämt unter den Helm eines Feuerwehrmanns geschlüpft war – und ansonsten reichlich wenig am Leib hatte. Damit wollte sie die tapferen Helden »supporten«, die die Flammen bekämpft hatten, während sie ganz nebenbei Werbung für ihre neue Single machte, deren Erscheinen extra auf den heutigen Tag vorgezogen worden war! Ab sofort konnte man sie auf iTunes downloaden.
Barry Milligan überflog jede einzelne Zeitung und stützte den Kopf in die Hände. Die Anzahl der Todesopfer war inzwischen auf einundvierzig angestiegen.
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