Dancing Jax - 01 - Auftakt
allem noch nicht zu spät für sie war.
»Ich musste das Badewasser trinken!« Carol erschien im Bademantel in der Tür.
»Oh – dein Wein! Entschuldige!«
»Heute auf der Arbeit habe ich den Premierminister von hinten gesehen«, berichtete sie, während sie ihr Haar heftig trocken rubbelte. »Er bekommt eine Glatze und besprüht sich den Hinterkopf mit so schwarzem Wattezeug.«
»Nichts geht über den äußeren Schein«, sagte Martin. »Politische Angelegenheiten sind Nebensache, solange man ein gutes Bild abgibt. Erinnerst du dich an diesen Vorsitzenden der Labourpartei, Michael Foot? Einmal, am Volkstrauertag, hat man ihn in der Luft zerrissen, weil er aussah, als hätte ihn Rumpelstilzchen höchstpersönlich angezogen. Was keiner erwähnt hat, war, dass er der einzige Politiker am Cenotaph-Denkmal war, der den Kranz, den er davor abgelegt hat, aus eigener Tasche bezahlt hatte. Ich meine, ist das nicht das Eigentliche, was zählt? Diesen ganzen Image-Pflegemist gibt es doch erst seit den Achtzigern und seitdem haben wir den Salat.«
»Martin, das ist schon Ewigkeiten her. Ich war damals viel zu jung, um das mitzukriegen oder mich dafür zu interessieren.«
»Nichts hat sich geändert. Jetzt haben wir Politiker, die mit dem Rad zum Parlament fahren, weil sie dadurch grün wirken, dabei rollen ihre Amtswägen direkt hinter ihnen und kutschieren ihnen ihre Anzüge und Laptops hinterher. Alles nur Schall und Rauch.«
Carol wickelte sich ihr Handtuch um den Kopf. Sie hatte diese Schimpftiraden schon zu oft gehört und keinerlei Interesse daran, auch den heutigen Abend damit zuzubringen. »Was hast du da?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
»Pauls Buch, das er auf dem Flohmarkt geschenkt bekommen hat.« Martin gab sich geschlagen. Er stand vom Tisch auf und ging in die Küche, um Carol ihr Glas Wein zu holen. »Dachte mir, ich seh es mir mal an.«
»Du neugieriger Schnüffler!«
Martin reichte ihr das Glas. »Ich weiß, aber jemand hat mich heute davor gewarnt. Hat aber ganz den Anschein, als hätte diejenige einfach den Verstand verloren.«
Carol nahm einen Schluck. »Mmmm … angetrunkener Mut ist so lecker!«
»Wozu musst du dir denn Mut antrinken?«, fragte er, bevor er eine Panikattacke erlitt. »Nein! Du warst doch nicht in meinem Allerheiligsten und hast was runtergeworfen, oder?«
Carol ignorierte das geflissentlich. Sie atmete tief ein und schloss dann die Augen. »Ich habe nachgedacht, da oben in meinem alkoholfreien Bad«, fing sie an. »Hör zu, Mr Arithmetik, du regst dich viel zu sehr über Sachen auf, die keinem außer dir auch nur im Geringsten wichtig sind, und du treibst mich noch in den Wahnsinn mit deinen abgedrehten Hobbit- und Weltraumspinnereien. Wenn es nach dir ginge, würdest du sogar unseren Straßennamen in so was wie Warp Drive ändern und mir ist auch klar, dass du am Anfang nur mit mir ausgehen wolltest, weil du fandest, dass ich aussah wie eine junge Ausgabe von Sarah Jane Smith aus Dr Who. Aber meine Mutter mag dich – Gott allein weiß, wie du dieses Wunderwerk vollbracht hast. Paul versteht sich so gut mit dir, dass ich mir manchmal richtig überflüssig vorkomme – du hast ihn in einen Mini-Martin verwandelt – und jetzt hat dich auch noch der gute Gerald – mit dem unbeirrbaren Geschmack und der ebenso fehlerfreien Menschenkenntnis – eingeladen, um Evelyn kennenzulernen … Das besiegelt wirklich alles, meinst du nicht?«
»Äh … Mein Babelfisch setzt gerade aus. Wovon in aller Welt redest du?«
Carol lachte. »Ich meine, dass ich dir besser einen Ring an den Finger stecken und dich zu einem ehrbaren Mann machen sollte. Ich will, dass wir heiraten, du begriffsstutziger Freak!«
Mehrere Sekunden lang war Martin zu nichts anderem fähig, als sie anzustarren. Dann stieß er einen Freudenschrei aus und schloss sie fest in seine Arme. Der Wein schwappte über und spritzte überallhin, aber das war ihnen egal.
»Ich bin sechsunddreißig, Martin«, fuhr sie fort. »Meine Uhr tickt nicht nur, sie rast wie ein Raketenmoped.«
»So wie die Dinger in Die Rückkehr der Jedi-Ritter – oder die bei den Thunderbirds?«
»Halt die Klappe und hör zu!«
»Okay.«
»Paul und du seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Aber, und ich habe gründlich darüber nachgedacht, ich will wirklich, dass es einer mehr wird – bevor mir die Zeit davonläuft. Ich will ein Kind mit dir.«
Bevor Martin die Chance hatte, noch irgendetwas zu sagen, stellte Carol ihr Glas ab,
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