Dancing Jax - 01 - Auftakt
der größeren Anlage auf der anderen Seite.« Dabei nickte er zu dem eingezäunten Gebiet auf der anderen Straßenseite hinüber.
»Eine Unterführung?«, fragte Shiela. »Aber wozu um alles in der Welt?«
Der Ismus schenkte ihr dieses nachsichtige Lächeln, das sie zur Weißglut trieb. »Es symbolisiert den Abschied von dieser Welt und den Eintritt in das Reich unseres Meisters, des verbannten Prinzen«, erklärte er. »Es muss sowohl eine physische als auch eine spirituelle Reise sein, für dich und den gesamten Hofstaat.«
Kopfschüttelnd wollte sie ihre Hand losreißen. »Trotzdem geh ich da nicht runter!« Sie fluchte. »Ich hab die Schnauze voll – ich spiele bei diesem Schwachsinn nicht länger mit!«
Hinter ihnen starrte der Schlüsselmeister die Harlekine verwirrt an, doch Pikkönigin und Herzkönigin tauschten wissende Blicke aus.
»Was stimmt nicht mit Mylady?«, nuschelte der Jangler. »Warum widersetzt sie sich?«
Der Ismus packte Shielas Hand so fest, dass die Haut um ihre Knöchel weiß anlief. »Es ist nichts«, sagte er herrisch. »Lady Labella hat eine Abneigung gegenüber Ratten und Dunkelheit, sonst nichts.«
»Ganz bestimmt gibt es dort doch keine Ratten!«, rief der Jangler aus. »Mr Fellows hätte das nie geduldet und mit Sicherheit die nötigen Vorkehrungen getroffen, ebenso wie in den Kellern seines Hauses.«
»Siehst du«, wandte sich der Ismus an Shiela. »Der Schlüsselmeister muss es wissen. Dort unten wirst du keinerlei Ungeziefer vorfinden.«
Die Frau betrachtete den Heiligen Magus und war sich da nicht so sicher. Außerdem ging es ihr beileibe nicht nur um Ratten und die Dunkelheit. Etwas anderes machte ihr Angst – dies hier war ein weiterer, wortwörtlicher Schritt hinein in den Wahnsinn, der sie alle ergriffen hatte. Schließlich trat der Ismus in den Raum und zog Shiela mit sich.
Sofort folgten die schwarzgesichtigen Leibwächter mit Taschenlampen im Anschlag, um die Stufen zu beleuchten und ihrem Herrn den Weg zu erleichtern.
»Auf ins Reich der Dancing Jacks!«, verkündete der Ismus feierlich. Eine ängstliche Shiela an der Hand schritt er die Treppe hinab.
Vielleicht gab es hier unten keine Ratten, dafür war es in dem unterirdischen Gang, der zu allen Seiten aus Beton bestand, pechschwarz, sodass der Schein der Taschenlampen nicht einmal bis zu seinem Ende reichte. Brackiges Meerwasser platschte Shiela über die Turnschuhe und angewidert stellte sie fest, dass ihre Socken bereits durchtränkt waren.
»Es ist nur Wasser«, beruhigte sie der Ismus, dessen Stimme in dem nasskalten Raum unheimlich verzerrt widerhallte.
»Eiskaltes Wasser«, stellte sie fest. »Eiskaltes Wasser in einem schwarzen Höllenschlund, der nach Schimmel stinkt. Ich bin ein viel größerer Trottel, als ich gedacht hätte.«
Während sie sich selbst für ihre Dummheit verfluchte, folgte Shiela dem Ismus weiter den Tunnel entlang, in dem sich mehr und mehr Salzwasser sammelte. Plötzlich fiel der Lichtkegel auf eine abscheulich grinsende Fratze und Shiela kreischte auf.
Es war nur eine angemalte Statue. Aber der Schreck hatte gesessen. Diese Skulptur war schlicht und ergreifend widerwärtig – das Ding hatte einen missgestalteten Körper mit Affenarmen, einen übergroßen Kopf, in dem böse gelbe Augen blitzten, und ein Maul voller spitzer Zähne, dessen Mundwinkel grimmig nach unten gezogen waren. Mitten auf der Stirn saßen zwei gewundene Hörner wie von einem Schafbock.
»Was ist das?«, fragte Shiela.
Der Ismus streckte die Hand aus und tätschelte den verunstalteten Steinkopf. »Mauger«, antwortete er grinsend. »Grollender Wächter der Tore von Mooncaster. Jeder, der bei Hofe erscheinen will, muss an diesem grimmigen Pförtner vorbei.«
»Aufs Cover der GQ wird er’s jedenfalls nie schaffen«, bemerkte Shiela spitz.
Die Augen des Heiligen Magus glitzerten im Licht der Taschenlampen. »Bald schon wird er unter uns weilen«, kündigte er an. »Er soll der Erste sein, den ich auf die andere Seite hole.« Feixend führte er Shiela tiefer in die Finsternis.
Hinter ihnen verbeugten sich die Leibwächter und der Rest des Hofstaats vor Mauger, als sie einer nach dem anderen an ihm vorbeischritten.
Unwillkürlich klammerte sich Shiela fester an den Ismus. Sie fand es hier unten einfach nur grässlich und fürchtete sich, ebenso wie sie sich im Keller dieses Horrorhauses gefürchtet hatte. Mit großer Erleichterung sah sie im Schein der Lampen endlich eine zweite Treppe, die durch
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