Dancing Jax - 01 - Auftakt
schon lange nicht mehr der Fall war. Es war eine Art Trost, in diese Kleider zu schlüpfen und Geld in die Ideale und das Merchandising dieser erfundenen Orte zu investieren, weil der eigene Alltag ein so verwirrendes Kuddelmuddel voller Enttäuschungen und Widersprüche war. Jeder hatte seine eigene Art, dem zu entfliehen.
Diese Frau hier hatte seit Sonntag auf jeden Fall mächtig viel Arbeit investiert. Sie hatte sich einen Charakter namens Columbine herausgesucht – oder hatte der Charakter sie gewählt? Offenbar war sie im Buch eine hübsche Küchenmagd, die Flickenkleider trug und stets ein Tamburin dabeihatte, mit dem sie die unerwünschten Annäherungsversuche des Jockeys abwehrte. In dem Blog gab es auch eine Abbildung der eingescannten Zeichnung – ihr nachgebildetes Outfit war fast komplett. Und man konnte sofort sehen, dass sie sich wirklich viel Mühe gegeben hatte.
Paul überflog die anderen Links. Dann hielt er inne, als ihm etwas dämmerte. Eine andere Suche wäre eigentlich noch viel wichtiger …
Neugier und auch ein bisschen Furcht brodelten in ihm hoch, als er den Namen eintippte. Austerly Fellows.
Er drückte Return und wartete unruhig ab.
Das erste Suchergebnis auf der Liste war ein Wikipedia-Eintrag. Paul klickte ihn an und die Seite baute sich rasant auf. Er atmete tief ein, doch bevor er den Text las, blieben seine Augen an einem Schwarz-Weiß-Foto hängen. Es zeigte einen Mann, der eine Art Mönchskutte trug.
»Noch mehr Cosplay«, murmelte Paul.
Das Gesicht war alles andere als sympathisch – es wirkte grausam und arrogant. Die dünnen Lippen waren zu einem hämischen Grinsen verzogen und unter zusammengezogenen Augenbrauen ragte eine spitze Nase hervor. Und was die Augen selbst anging …
Paul wich ihnen aus. Sie schienen sich aus dem Bildschirm heraus geradewegs in ihn hineinzubohren. Als er noch ganz klein gewesen war, dachte er immer, dass die Nachrichtensprecher ihn durch den Fernsehschirm sehen konnten. Und dieses Bild von Austerly Fellows, dem Autor von Dancing Jacks, löste in ihm dasselbe beunruhigende Gefühl aus. Paul sagte sich, dass das Quatsch war, und wandte seine Aufmerksamkeit dann der Biografie neben dem Foto zu.
Austerly Fellows (1879-1936) Der selbst ernannte Abbot of the Angles und Grand Duke of the Inner Circle. Heutzutage fast überall in Vergessenheit geraten und abgelöst von anderen, weniger einflussreichen und mittelmäßigen Nachahmern, war er seinerzeit ein bekannter englischer Okkultist, Künstler, Schriftsteller und Komponist.
Paul zog sich den Kragen seines Pullovers bis zum Mund hoch und fing an, gedankenverloren darauf herumzukauen. Er las weiter.
Frühes Leben [Bearbeiten]
Als mittleres Kind eines erfolgreichen Arztes aus Suffolk studierte er als junger Mann ebenfalls Medizin, bis zum frühen Tod seines älteren Stiefbruders, woraufhin er sein Studium aufgab. [1] Gerüchte besagten damals, dass er ohnehin der Universität verwiesen worden wäre. Als Student war Fellows nicht beliebt. Seine exzentrischen Eigenarten begannen extreme Züge anzunehmen und schon damals vermutete man, dass er sich nebenbei mit Okkultismus beschäftigte. [Quellenangabe fehlt]
Reisen [Bearbeiten]
Während der Jahrhundertwende bereiste Fellows Europa. Auf dem Kontinent verbrachte er ein Leben voller Genusssucht und Ausschweifungen. Wohin er auch ging, verursachte er eine Reihe von Skandalen. [2] Sein Ruf eilte ihm voraus, was dazu führte, dass die Schweiz ihm die Einreise strikt verweigerte. [Quellenangabe fehlt]
In Italien nahm er seine Nachforschungen auf dem Gebiet der Esoterik wieder auf und schloss sich mehreren Kulten an, innerhalb derer er in kürzester Zeit die höchsten Ränge bekleidete. [Quellenangabe fehlt]
Fellows war skrupellos und ehrgeizig, und einmal mehr erlangte er einen gewissen Ruf, diesmal einen unheilvollen. [3] 1903 ereigneten sich neun Ritualmorde in den Katakomben von Rom. Verdächtigt wurde ein Totenkult namens Portello Scuro, zu dessen Anführern Fellows zu dieser Zeit gehörte. Es wurden jedoch keine Beweise gefunden und die einzige Zeugin wurde geköpft, bevor sie aussagen konnte. [4] 1905 wurde Austerly Fellows verdächtigt, ein uraltes und verbotenes Manuskript aus dem Vatikan gestohlen zu haben. Wieder konnte man ihm nichts nachweisen, doch der König von Italien, Victor Emmanuel III., befahl ihm, das Land zu verlassen und niemals wiederzukehren. [5]
Ab diesem Zeitpunkt unternahm er Reisen in den Fernen Osten, wo
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