Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
keine Lüge, ganz und gar nicht, nur eine andere Realität. Stell dir vor: ein ganzes Leben mit ihr. Und eines Tages, falls ihr es wünscht, sogar Kinder. Kannst du das wirklich ablehnen? Hat sie dir so wenig bedeutet?«
»Hören Sie auf!«, brüllte Spencer auf einmal. »Machen Sie die Tür auf und lassen Sie uns gehen!«
»Unterbrich mich nicht, Junge«, knurrte der Ismus ihn an. »Das ist eine Angelegenheit zwischen dem Creeper und mir.«
»Ach, echt?«, meinte Spencer und bückte sich schnell, um etwas aufzuheben. »Sind Sie da sicher? Ich glaube nämlich, dass Sie jetzt sofort machen müssen, was ich sage, sonst …« Er hielt das Glaskaninchen in der Hand, das neugierig an ihm geschnuppert hatte. Es paddelte mit den Füßen in der Luft und zuckte mit den Ohren.
»Lass es runter«, befahl der Mann. »Lass es runter, habe ich gesagt!«
»Vergiss es! Ich werde jetzt bis drei zählen und wenn die Tür dann noch immer nicht offen ist, zerbricht der Mümmelmann hier in tausend Stücke und dann kommt diese Seuche raus.«
»Das würdest du niemals tun«, höhnte der Ismus. »Du würdest nie alle hier zu einem so qualvollen Tod verdammen. Du bist kein Massenmörder. Du würdest jeden Einzelnen töten, den du kennst – alle, die gerade im Reich von Dancing Jax sind. Wenn sie nämlich hier sterben, dann sterben sie auch in eurer Welt – einschließlich dir selbst, Lee und Maggie natürlich. Dazu bräuchte es eine ordentliche Portion an Hemmungslosigkeit und Rückgrat, die du schlicht nicht hast.«
Spencers Mund war trocken. »Ich vielleicht nicht«, murmelte er schüchtern. Dann zwinkerte er frech. »Aber Herr Spenzer schon.«
Der Ismus wirkte verblüfft, beinahe beeindruckt. »Und was ist mit dir, Gilly?«, fragte er das Kaninchen. »Hast du gar nichts dazu zu sagen?«
Das Glastierchen wand sich im Griff des Jungen und sein kleiner Mund öffnete sich zitternd. »Bitte zerbrich mich nicht!«, flehte es. »Ich mag unvorsichtig und tollpatschig sein, aber dafür kann ich nichts. Ich will nicht sterben. Ich wollte diese Schlechtigkeit nie in mir haben, ich kann einfach nichts dagegen machen. Nur weil ich die verbotene Speise gegessen habe, bin ich so geworden. Bitte tu’s nicht!«
»Oh Gott!«, platzte Maggie heraus, als sie die jammernde Stimme des Kaninchens erkannte, und starrte es entsetzt an. »Das ist Jody!«
Vor Schreck hätte Spencer das Kaninchen um ein Haar fallen lassen.
Der Ismus grinste. »Ja, die arme verrückte Jody. Das ist in Mooncaster aus ihr geworden. Ihre Verwandlung war auch für mich überraschend. Was für eine grauenhafte Sache! Jangler hat sie im Lager fürwahr gebrochen. Würdet ihr Jody dasselbe ein zweites Mal antun?« Der Heilige Magus entspannte sich. Der Junge war schwach.
»Wissen Sie«, sagte Lee, der inzwischen den Kampf in seinem Innern ausgefochten hatte, plötzlich und nahm Spencer das Glastier ab, »ich hab Jody eigentlich noch nie leiden können. Vom ersten Tag an ist sie mir mächtig auf die Nerven gegangen. Schlechtes Gewissen, den blauen Kaninchenkopf unter meinen Nikes zu zertrampeln? Nö. Das mit der Seuche ist mir auch scheißegal, weil ich geschworen hab, Jangler und so viele von den Wachen wie möglich auszuschalten, auch wenn ich selber dabei draufgehe. Zwar ist das dann nicht so persönlich, wie ich’s mir gewünscht hätte, aber der Job wäre damit trotzdem erledigt. Klingt, als könnte ich nur gewinnen. Wie steht’s mit Ihnen?« Lee hielt das wimmernde Glaskarnickel mit ausgestreckten Armen von sich und blickte dem Heiligen Magus entschlossen in die feindseligen Augen. Beide wussten, dass er nicht nur bluffte, und Lee freute sich diebisch, als dem Ismus das überhebliche Grinsen allmählich verging.
»Eins …«, fing er an zu zählen. »Zwei … Dr–«
»Na schön!«, schrie der Ismus, während ihm der Schimmel auf der blassen, schwitzenden Stirn ausbrach. »Aber wenn ihr im Camp aufwacht, seid ihr innerhalb von Minuten tot! Dafür werde ich sorgen.«
Lee lachte düster. »Aber die paar Minuten werden grandios und dreckig sein!«, versprach er ihm. »Sie werden sich ’nen neuen Lockpick zulegen müssen, denn Ihrer hat sein Verfallsdatum überschritten. Und jetzt öffnen Sie die verfluchte Tür.«
Der Ismus hob einen Finger und das Schloss schnappte umgehend auf.
Maggie und Spencer stürmten ins Freie.
»Ein Leben mit Charm«, erinnerte der Ismus Lee noch einmal, als dieser den Einhornschädel aufhob und seinen Freunden folgte. »Das ist es, was du
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