DanDep-StaderVer
stürzte aufs Klo. Nachdem er gekotzt hatte, klatschte er sich kaltes Wasser ins Gesicht und ging wieder in die Kajüte. In der Zwischenzeit hatte Squiers die Kleine auf einen Stuhl gedrückt, stand vor ihr und fummelte an seinem Reißverschluss. Es dauerte eine Sekunde, bis Potts begriff, was er vorhatte.
»Was machst du denn da?«
»Bitte«, sagte Allison flehentlich zu Potts. Squiers ließ sich nicht stören. »Lass deine dreckigen Flossen von ihr!«, schnauzte Potts ihn an.
Squiers zerrte an seiner Levi's. Potts brüllte ihn noch mal an, und als er wieder nicht reagierte, riss er die Eisenstange raus und zog ihm damit eins über, nur so feste, dass er zuhörte. Grunzend drehte Squiers sich um.
»Du hast ja wohl den Arsch offen«, schimpfte Potts. »Bloß den Kerl, hat Richie gesagt. Die Tussi sollen wir in Ruhe lassen!«
In seinem Kopf schrillte es wie bei einem Fliegeralarm, und Squiers war mit Logik nicht mehr beizukommen. Das chemische Gebräu in seinem Körper hatte ihn abgestumpft und seinen Blick glasig werden lassen. Er hätte nicht mal mehr mitgekriegt, wenn er von einem Laster überrollt worden wäre. Squiers verpasste Potts einen Schwinger, dass der quer durch die Kajüte flog und die Eisenstange fallen ließ. Das Nächste, was er sah, war, dass Squiers sich die Stange geschnappt hatte und damit auf ihn losging.
Potts hatte keine Ahnung, wie plötzlich die Pistole in seine Hand kam. Ihm war völlig entfallen, dass sie hinten in seiner Hosentasche steckte, obwohl er vermutlich darauf gelandet war und automatisch danach gegriffen haben musste. Er wusste nur, dass sie auf einmal da war und losging und dass sich in Squiers Brust ein kleines Loch abzeichnete.
Eine. 38er ist keine schwere Waffe, aber in einem abgeschlossenen kleinen Raum wie der Kajüte einer Dreißig-Fuß-Segeljacht macht sie einen ohrenbetäubenden Krach, im wahrsten Sinne des Wortes. Potts' Ohren explodierten, und in den ersten Sekunden konnte er keinen anderen Gedanken fassen als den, wie weh es tat. Statt einem Schrillen hatte er jetzt ein unerträgliches Dröhnen im Kopf, und er war taub. Stocktaub. Er rappelte sich hoch und warf einen Blick auf die Frau, die weinend auf dem Stuhl kauerte und sich die Ohren zuhielt. Er sah, dass sie weinte; hören konnte er es nicht. Er sagte etwas zu ihr, aber es war sinnlos. Squiers lag zusammengesunken auf dem Boden, einen langsam größer werdenden Fleck in der Gegend seines Herzens. Wenn er noch nicht tot war, würde er es bald sein. Potts hatte nicht vor, sich aus nächster Nähe davon zu überzeugen.
Er setzte sich an den kleinen Kombüsentisch. Taub, konfus und zugedröhnt, mit rasenden Schmerzen in den Schläfen. Und allmählich dämmerte ihm, wie schlimm es um ihn stand. So schlimm, wie es schlimmer nicht sein konnte. Alles versaut. Alles und jedes. Sein ganzes Leben. Für immer.
Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg, aber es gab keinen.
Der Plan hatte folgendermaßen ausgesehen: hinfahren, dem Kerl die Beine brechen, ihm die Fresse polieren. Keiner rührt die Tussi an. Sie soll zugucken, aber sie wird nicht angerührt. Hinterher kann sie dann einen Krankenwagen rufen oder was auch immer. Richie bleibt außen vor, und zu den Bullen rennt sowieso keiner, das gibt bloß zusätzlichen Trouble. Eine wertvolle Lektion in Sachen Moral gelernt. Potts und Squiers sind auf und davon, und Potts hat genug Kleingeld in der Tasche, um sein Leben anzufangen, sein wahres Leben, mit Ingrid und seiner Tochter. Ende der Story. Klar, sicher, berühmt klingt das nicht gerade. Aber das Leben hat genügend beschissene Storys parat, und irgendwie muss jeder zusehen, wie er über die Runden kommt.
Oder auch nicht.
Jetzt hat Potts einen Mord am Hals. O ja, einen Mord. Ein Tötungsdelikt im Zuge der Begehung eines Gewaltverbrechens. Notwehr hin, Notwehr her, Potts wird den Rest seiner Tage im Gefängnis verbringen.
Potts dachte nach. Er versuchte es zumindest.
Potts hat Squiers getötet. Im Boot liegt eine große, schwere Leiche. Jetzt sind die Bullen mit im Spiel. Sie werden den Mann und die Kleine vernehmen und alles erfahren, auch alles über Richie. Die Bullen werden Squiers identifizieren und über ihn auf Potts kommen. Sie werden Potts finden und ihn für lange Jahre wegsperren, falls Richie ihn nicht vorher findet und erledigt.
Keine rosigen Aussichten.
Potts weiß, was er tun muss. Er will es nicht tun. Wie lange dauert es, bis der tote Squiers die Bullen zu ihm führt? Wie viel Zeit bleibt
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