Danger - Das Gebot der Rache
Zuerst dachte ich, er wolle mich einfach nur wissen lassen, dass es ihm gutgeht, aber jetzt … nun, ich habe eine Kassette gefunden und das Schloss aufgebrochen.«
»Was hast du gefunden?«, fragte Olivia, obwohl sie es eigentlich gar nicht wissen wollte.
»Darin waren Bankauszüge für ein Konto, von dem ich nichts wusste … und einen ersten Entwurf eines juristischen Schriftsatzes: Scheidungspapiere.« Sarahs Stimme bebte. »Ich kann es nicht fassen, Olivia, nach all den Jahren, die er mich betrogen hat, denkt er, er könnte sich von mir scheiden lassen? Niemals, auf gar keinen Fall!«
»Oh, Sarah, es tut mir so leid«, sagte Olivia, und das entsprach der Wahrheit. Sie hasste es, wenn ihre Freundin, die für gewöhnlich fröhlich und optimistisch war, so verletzt und verzweifelt klang. Und sie hasste Leo Restin dafür, was er seiner Frau antat. Olivia wollte sagen, dass eine Scheidung womöglich das Beste wäre, aber sie hielt ihren Mund. In diesem Punkt war Sarah unbelehrbar, würde das bis zum bitteren Ende bestreiten.
»Tja, mir auch.« Sarahs Stimme brach. »Ich habe mich gefragt, ob es dir gefallen würde, einen Gast zu haben? Mich, meine ich natürlich … nicht Leo.« Sie lachte ein bisschen, trotz ihrer Tränen. Sarah wusste, was Olivia über ihren Mann dachte, das hatte sie oft genug klargestellt. »Wir könnten Thanksgiving zusammen verbringen.«
»Und du machst dabei Leo ausfindig?«
»Ich werde mir zum Essen eine Pause gönnen«, scherzte Sarah mit einem rauhen Lachen. »Es sei denn, du hast andere Pläne. Oje, ich bin einfach davon ausgegangen, dass du nirgendwohin fährst und mit niemand anderem feierst.«
»Mach dir darum keine Sorgen. Ich habe nichts geplant.« Olivia lehnte ihren Kopf gegen einen Oberschrank, zwirbelte das Telefonkabel und dachte an Rick Bentz. Töricht, wie sie war, fragte sie sich, wie er wohl Thanksgiving verbringen mochte. Nicht, dass es ihr irgendetwas bedeutet hätte. Und dann, wie aus heiterem Himmel, fiel ihr der Mann in der Kathedrale ein. »Ich glaube, ich habe Leo gesehen.«
»Wo?« Sarahs Stimme war angespannt.
»In der St. Louis Cathedral.«
»Machst du Witze? Leo hat seit Jahren keine Messe mehr besucht!«
»Vielleicht habe ich mich geirrt.«
»Leo ist immer noch stinksauer, weil man ihn früher aus der Konfessionsschule geworfen hat«, erklärte Sarah, »dass er nie wieder einen Fuß in eine Kirche gesetzt hat.«
»Er ist in eine katholische Schule gegangen?«, fragte Olivia überrascht. Sie blickte aus dem Fenster. Draußen fiel das Sonnenlicht durch die Bäume.
»Für ein paar Jahre. Er spielte Football, und das gefiel ihnen, aber … nun, sie haben ihn erwischt, als er sich auf dem Schulgelände angetörnt hat, und ihn der Schule verwiesen. Anschließend ist er weiterhin oft in Schwierigkeiten geraten, hat sich nicht an die Regeln gehalten. Und genau deswegen habe ich ihn für den Größten gehalten.« Sie lachte, doch es klang hohl. »Dumm, nicht?«
»Alle Menschen machen dumme Sachen, wenn sie verliebt sind.« Olivia dachte flüchtig an Rick Bentz und versuchte sich einzureden, dass sie nicht in ihn verliebt war und sich auch nie in ihn verlieben würde. Diese fixe Idee musste sie aus dem Kopf bekommen. »Dann hat er der Kirche also den Rücken gekehrt?«, fragte sie. In ihrem Kopf begann sich ein beängstigender Gedanke zu formen. Leo, der ehemalige Katholik. Er war ein Sportler – ein Footballspieler und Bogenschütze –, ungefähr eins neunzig groß, und er hatte blaue Augen. Außerdem hatte er einen Hang zur Grausamkeit, wie an seinem Umgang mit seiner Frau unschwer zu erkennen war. Aber ein sadistischer Mörder? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen.
»Nahezu vollständig. Hat echte Zustände bekommen, als ich auf einer kirchlichen Heirat bestand. Ich dachte, er würde die ganze Sache abblasen. Es gab eine Riesenszene, aber letztendlich hat er sich einverstanden erklärt. Ich denke, es ist noch etwas anderes passiert, irgendetwas Schlimmes, aber er hat nie darüber gesprochen, und ich habe nicht nachgebohrt.«
»Er ist dein Ehemann«, sagte Olivia und dachte an ihre Begegnung mit Leo in der Kathedrale. Er war in New Orleans, vermutlich schon seit einer ganzen Weile. Er hatte einen Groll auf die katholische Kirche … und er hatte Temperament. Aber das machte ihn noch nicht zum Mörder.
Noch lange nicht
, ermahnte sie sich wieder, nahm eine Tasse aus dem Schrank, klemmte sich den Hörer zwischen Kinn und Schulter und schenkte
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