Danger - Das Gebot der Rache
logisch nachvollziehbar ist. Ich frage mich, warum.« Er hob eine Hand. »Mal abgesehen davon, dass sie eine Hellseherin ist und rein zufällig Morde ›mit ansieht‹.«
Melinda bedachte ihn mit einem abschätzigen Lächeln. »Hat die Dame ein Alibi?«
»Nur ihren Hund, und der macht den Mund nicht auf.«
»Jetzt mal im Ernst.«
»Sie war zu Hause im Bett. Hat geschlafen. Die Vision hat sie geweckt.«
Bentz’ Vorgesetzte schien einen Augenblick lang nachzudenken, dann sagte sie: »Ich gehe davon aus, dass Sie sie überprüfen.«
»Selbstverständlich.«
»Na schön. Halten Sie mich auf dem Laufenden und geben Sie mir Bescheid, sobald der Bericht mit den Zeugenaussagen und der Befund des Gerichtsmediziners vorliegen.« In der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Und kommen Sie mir ja nicht mit dieser Böser-Cop-Masche, Bentz. Wir müssen uns an die Regeln halten.«
»Das würde mir nicht im Traum einfallen, Boss.«
»Dann ist ja alles klar. Und jetzt gehen wir davon aus, dass die Zeugin, Ms. Benchet, glaubwürdig ist. Einverstanden? Die Sache ist merkwürdig und sie könnte an den mentalen Ketten von uns allen rütteln, aber vielleicht hat sie ja tatsächlich so etwas wie Visionen. Gehen Sie dem nach.« Jaskiel klopfte auf den Türrahmen, dann verschwand sie.
»Darauf kannst du wetten«, murmelte Bentz. Er sollte also glauben, was immer Olivia Benchet ihm verklickern wollte. Sollte ihr abkaufen, dass sie medial veranlagt war. Inwiefern? Stand sie mit dem Killer in Verbindung? Mit dem Opfer? Mit dem Haus, in dem es passiert war? Warum hatte sie diesen speziellen Mord »beobachtet«? Warum keinen anderen? Hatte sie bei diesem Priester mal die Beichte abgelegt? Oder hatte er ihr gebeichtet? Wo zum Teufel war der Zusammenhang? Bentz stemmte sich von seinem Stuhl hoch und kratzte sich das Kinn.
Dem Ganzen offen begegnen. So ein Schwachsinn. Er wusste nicht, ob er das konnte. Sollte er wirklich glauben, dass eine Frau aus meilenweiter Entfernung einen Mord mitverfolgt hatte?
Die Sache war doch faul.
Bentz glaubt dir also nicht. Na und?
Das ist doch nicht unbedingt eine Überraschung, oder?
Olivias Hände schlossen sich fest ums Lenkrad, während sie sich durch den Garden District Richtung Tulane University schlängelte. Sie hatte gehofft, Detective Bentz würde ihr glauben, würde ihre Verzweiflung spüren, aber natürlich war er genau wie all die anderen.
Männer,
dachte sie empört, als sie bremste, um zur Universität abzubiegen. Eine Straßenbahn ratterte vorbei. Nein, das war nicht fair. Mittlerweile war sie schon genauso skeptisch wie andere Frauen, angefangen bei ihrer Mutter.
Es war Nachmittag, die Schatten über den nahe gelegenen Unis Tulane und Loyola wurden länger. Olivia stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab und joggte rüber zur Psychologie. Bilder von Detective Bentz verfolgten sie, doch sie musste dieses gutaussehende, markante Gesicht und sämtliche Gedanken an den Mord beiseiteschieben. Zumindest für den Moment. Sie eilte eine Treppenflucht hinauf in Richtung des Büros von Dr.Jeremy Leeds, ihrem Professor, dem Ex-Mann der Radiopsychologin von WSLJ , Dr.Sam. Was für eine Ironie. Olivia mochte ihn nicht besonders, er kam ihr ziemlich selbstbezogen vor, aber er war der ihr zugeteilte Studienberater, und sie musste das Jahr über mit ihm klarkommen.
Hinter dem Schreibtisch der Sekretärin saß niemand, also ging Olivia durch die labyrinthartigen Flure und klopfte an die Tür zu Leeds’ Büro. Keine Antwort. Sie versuchte es noch einmal. Ihre Knöchel, die sie sich zuvor an der Käsereibe aufgeschürft hatte, schmerzten. »Dr.Leeds?«, fragte sie, gerade als sie Schritte vernahm. Der Professor bog um die Ecke.
»Olivia! Es tut mir leid, ich habe mich verspätet.« Er lächelte entschuldigend. Dr.Jeremy Leeds war Mitte vierzig, hatte ausgeprägte Gesichtszüge, eine lange, gerade Nase und einen sorgfältig getrimmten Bart. Er stieß die Tür auf und hielt sie für sie offen. Seine Schuhe waren auf Hochglanz poliert, seine sportlich-lässige Jacke sah aus, als hätte sie ein kleines Vermögen gekostet. »Flott« war das Wort, das Olivia einfiel, wenn sie an Dr.Leeds dachte. Nun, flott und »aufgesetzt«, denn es war etwas an ihm, das ihr nicht ganz ehrlich vorkam. Sie konnte allerdings nicht genau sagen, was. »Ich musste noch schnell den Kollegen Dr. Sutter abpassen, bevor er Feierabend macht. Er ist nur teilzeitangestellt, da er auch am All Saints unterrichtet, und das
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