Danger - Das Gebot der Rache
Schultern breiter waren als die der meisten anderen Mädchen, was vermutlich von ihrem jahrelangen Schwimmtraining herrührte, und sie ein paar Kilos mehr wog als der überwiegende Teil ihrer Verbindungsschwestern, sah sie doch verdammt gut aus. Durch und durch muskulös. Kein Fett. Athletisch. Außerdem, ging ihr durch den Kopf, war dieser Magersüchtigen-Look längst überholt, und die Art und Weise, wie die Mädchen ihn durch Kettenrauchen, Aufputschmittel und Kokain erreicht hatten, war eh nichts für sie. Nicht, dass sie etwas gegen ein, zwei Drinks oder ab und zu einen Joint einzuwenden hätte, aber diese Drogenszene stieß sie ab. Sie hatte auf der Highschool genug experimentiert und für das eine oder andere graue Haar bei ihrem Vater gesorgt, weil sie Ecstasy und Magic Mushrooms probiert hatte.
Nun, was sollte man anderes erwarten, wenn man als Teenager herausfand, dass der eigene Vater in Wahrheit nicht der eigene Vater war und die Mutter …
Denk nicht nicht daran. Es ist aus und vorbei. Rick ist ein guter Kerl. Ein wirklich guter Kerl, das weißt du. Er ist dein Dad. Er ist immer für dich da gewesen. Immer. Obwohl er wusste, dass du nicht von ihm bist.
Kristi runzelte die Stirn und konzentrierte sich auf ihr Spiegelbild. Was sie sah, gefiel ihr. Sie warf den Kopf zurück und ließ eine Kaskade rotbraunen Haars seitlich über ihr Gesicht fallen, wie sie es bei den Models aus der Shampoo-Werbung im Fernsehen gesehen hatte.
Wieder lächelte sie. Sie hatte lange, stufige, dichte Haare in einem glänzenden Mahagoniton. Diesen Herbst hatte sie sich Strähnchen machen lassen, die rot im Sonnenlicht schimmerten, was Brian sehr gut gefiel. Als sie Samstagabend geknutscht hatten, hatte er mehrfach sein Gesicht in ihrem Haar vergraben und ihr gesagt, wie schön er es fand. Sie hatte ihm erlaubt, ihr das Oberteil auszuziehen, und seine Finger hatten ihre Brüste liebkost, dass ihr ganz heiß wurde, wenn sie nur daran dachte. Federleichte Berührungen, die alle möglichen widerstreitenden Gefühle in ihr ausgelöst hatten … Sie hatte mit ihm schlafen wollen, aber sie hatte es nicht getan.
Die gute alte katholische Erziehung
,
dachte sie jetzt. Obwohl sie nur selten in die Kirche gegangen waren, als ihre Mutter noch lebte, hatten sie sie in Konfessionsschulen angemeldet, wo Kristi nie eine Messe oder den Katechismusunterricht versäumte. Jennifer selbst hatte sich dagegen nicht mal an das heilige Sakrament der Ehe gehalten.
Zumindest nicht laut Rick Bentz, der beschlossen hatte, Kristi die Wahrheit zu sagen, nachdem sie die Highschool beendet hatte. Er versuchte es ihr darzulegen, erklärte ihr, warum seine Ehe gescheitert war, dass sich ihre Mutter mit einem Mann eingelassen hatte, der sie, Kristi, gezeugt hatte. Jennifer war mit ihm mehr als einmal ins Bett gegangen und mit Kristi schwanger geworden. Dann hatte sie die Affäre beendet und fast fünfzehn Jahre später, kurz vor ihrem Tod, wieder aufgenommen.
Kristi hatte nicht glauben wollen, dass Rick Bentz nicht ihr Vater war, doch als sie mit eigenen Augen den Beweis in Form eines Briefes sah, von Jennifer zwei Tage vor ihrem tödlichen Unfall verfasst, war sie überzeugt gewesen. Jennifer hatte den Brief an ihre Tochter gerichtet, aber Rick Bentz hatte ihn bis nach Kristis Highschool-Abschluss zurückgehalten – ganze vier Jahre.
Verflucht, dachte sie und verspürte wieder diesen ohnmächtigen Zorn.
Mit Tränen in den Augen erinnerte sie sich an jedes einzelne Wort auf dem vergilbten Stück Papier. Die Zeilen brachten sie nach wie vor zum Weinen.
Es tut mir so leid, Liebes. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich dich mehr liebe als mein Leben. Doch ich habe mich wieder mit dem Mann eingelassen, der in Wirklichkeit dein Vater ist, und ich habe Angst, dass das meine Ehe ruinieren und Rick das Herz brechen wird …
»Danke, Mom. Vielen Dank.« Kristi schniefte laut. Sie war überzeugt, dass Jennifer Selbstmord begangen hatte. Ihre Mutter hatte Tabletten geschluckt und war von der Straße abgekommen, zwei Tage nachdem ihr Ehemann sie mit einem anderen im Bett erwischt hatte. Kristis Ansicht nach hatte Jennifer den feigen Ausweg gewählt, indem sie den verdammten Brief schrieb und sich anschließend hinters Steuer setzte.
Seit sie zu Beginn des letzten Sommers die Wahrheit erfahren hatte, war Kristi stinkwütend auf ihre Mutter, auf den Mann, der sie großgezogen hatte und auf den verfluchten Scheißkerl, der seine Hände nicht von Jennifer hatte
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