Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
herumspukte. Er hatte die letzten Tage überlegt, wo sie sein könnte und hatte die grenzenlose Leere in sich gespürt. So hatte es seinerzeit bei Petra angefangen und davor hatte er panische Angst. Das war diese Furcht, die ihn immer davon abgehalten hatte, ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte, wie sehr er sie benötigte, wie gern er sie für immer festhalten wollte. Ein Leben ohne sie war nicht vorstellbar für ihn, aber sie war verschwunden.
Das nächste Problem, mit dem er nicht wusste, wie er umgehen sollte: Sandra und die Kinder! Sandra selbst, mit der er stets ins Bett stieg, die ihn auf eine gewisse Art erregte, der er anscheinend nicht widerstehen konnte. Ein Leben mit ihr konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, zumal ihn keinerlei Gefühle mit ihr verband, nur dass sexuelle.
Aber die Kinder? Hatte er nicht die Pflicht, sich um die Zwillinge zu kümmern? Durfte er ihnen ein geregeltes Familienleben verweigern? Er selbst war nie in einer intakten Familie aufgewachsen, aber dass hatte er sich früher für seine Kinder immer so vorgestellt. Aber es war anders gekommen. Nun hatte er ungewollte Kinder mit einer ungeliebten Frau. Musste er da nicht wenigsten dafür sorgen, dass es den Kindern gut ging, ihnen genau das intakte Familienleben ermöglichen?
Daniel stand am Fenster und schaute zu dem strömenden Regen hinaus. Die Glasscheibe, gegen die er seine Stirn drückte, fühlte sich kühl an, aber er achtete nicht darauf. Er war in Gedanken verloren, Gedanken, die ihm ebenso traurig erschienen, wie die Regentropfen, die draußen an der Scheibe hinunterliefen. Er konnte sich einreden, dass alles in Ordnung war, tief in seinem Inneren wusste er, wie allein und mies er sich fühlte.
Es klopfte. Lucas steckte seinen Kopf herein.
„Wir haben einen neuen Fall.“
Er griff nach seiner Jacke, folgte dem Kommissar, sogar dankbar für die Ablenkung.
„In Duvenstedt hat man eine junge Frau tot aufgefunden. Es deutet auf Selbstmord hin.“
„Warum?“ Er öffnete seinen Wagen, fuhr los.
„Sie saß in ihrem Wagen, hat die Auspuffgase wohl darein geleitet. Keine Papiere! Muss seit Stunden tot sein.“
„Sonst noch etwas?“
„Sie überprüfen gerade, auf wen der Golf zugelassen ist. Sie soll so um die zwanzig sein.“
Daniel wurde blass, als er Golf hörte.
„Was für ein Golf“, brachte er im krächzenden Tonfall heraus, griff mit der linken Hand zu dem Armreif. Nein, nicht das. Bitte, nicht, flehte er stumm.
Lucas blickte zu seinem Chef, zog den Block hervor. „Ein dunkelblauer Golf zwei. Die Nummer habe ich nicht, aber ein Hamburger Kenn- zeichen.“
Daniel hörte nicht zu. Jana besaß einen dunkelblauen, zweier Golf. Er begann zu schwitzen, sein Magen verkrampfte sich und er wurde blass, dass sein Kollege mit Erstaunen bemerkte.
„Ist dir nicht gut?“
„Nichts“, brachte er heraus, versuchte seine Gedanken zu sortieren, aber in seinem Kopf wirbelte es gerade durcheinander.
„Was weißt du von der Frau?“
„Nichts weiter, außer dass sie so um die zwanzig sein soll.“
Er bog ab und sie ließen den dichten Verkehr der Innenstadt hinter sich. Jana! Nein, bitte nicht Jana, flehte er unhörbar. Er sah sie vor sich, so traurig. Nein, bitte nicht!
„Hei, geht es dir gut?“
„Sind die Spusi und Doktor Richter verständigt?“
„Ja, sicher! Was ist los?“
„Nichts, alles in Ordnung.“ Nichts ist in Ordnung. Wenn das Jana war? Wenn sie sich wegen ihm etwas angetan hatte? Er durfte nicht daran denken, es war zu schlimm. Es war seine Schuld. Nur, weil er sich wie ein dahergelaufener Köter benommen hatte. Seine Jana und vielleicht tot? Nein, das durfte nicht sein. Nicht seine kleine Latina. Und wenn?
Er hielt an die Seite, da sein Magen rebellierte. Schnell sprang er hinaus und musste sich übergeben. Danach atmete er eine Weile die frische Luft ein, bevor er weiterfuhr.
„Muss wohl etwas Falsches gegessen haben“, entschuldigte er sich. Aber selbst was Lucas dachte, war ihm egal. Er betete nur, dass es nicht Jana war.
Diese Frage beschäftigte ihn die nächsten zwanzig Minuten, bis sie vor Ort waren. Seine Hände feucht vom Schweiß, gleichermaßen seine Haare im Nacken, der Rücken, der Pullover.
Schon von Weiten erblickte er den Wagen und die Polizeiautos. Jana´s Auto? Ja, es sah genauso aus. Seine Finger hielten das Lenkrad so fest umklammert, dass man das Weiß der Knöchel sah. Sein Atem ging stoßweise. Jana! Er fuhr näher, starrte auf das Nummernschild, hielt an und ließ seinen Kopf
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