Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
Gesicht gesehen hatte.
Er konnte sie nur angucken, brachte kaum einen klaren Satz heraus. Sein Mund war ihm wie ausgetrocknet vorgekommen. Er war wie hypnoti- siert, verzaubert, hingerissen gewesen. Ihre Augen, schräg gestellt, funkelten wie dunkle, flüssige Schokolade, darum lange schwarze Wimpern, die hohen Wangenknochen. Lippen so voll und gut gezeichnet, der Mund wenig geöffnet in dem strahlend, weiße Zähne wie aufge- reihte Perlen blitzten. Über ihre gebräunte Haut war er verwundert gewesen, da man in diesem Jahr noch nicht allzu viel Sonne genießen konnte. Es war wie ein Stromschlag gewesen und alle Worte von Sven waren vergessen. Er hatte seinen Freund, die anderen Menschen um sie herum nicht wahrgenommen, dass ihn selbst heute noch verwunderte. Er hatte nur diese wunderschöne Nymphe gesehen. Von da an hatte er sie nicht mehr allein gelassen. Er hatte ihr Parfum gerochen: Ein Duft von Blumen, Frühling, Unbeschwertheit, daneben verführerisch, aufregend und sinnlich feminin. Er hatte die langen, schmalen Finger mit dunkelrosa lackierten Fingernägeln erblickt, den Weißgoldring mit einem Diamanten, genauso wie er ihre anscheinend exzellente Figur. Jede Bewegung zeugte von Elastizität, der Geschmeidigkeit einer Raubkatze. Noch nie hatte er eine Frau getroffen, die so viel Weiblichkeit, Weichheit, Sinnlichkeit und Erotik ausstrahlte, dass so natürlich, als wenn sie es nicht wüsste.
Sie hatten sich über die Bilder unterhalten und er hatte sich als Kunstbanause geoutet, dass sie wiederholt zum Lachen brachte. Er hörte sie gern Lachen. Es war so warm und sie sah so bezaubernd dabei aus. Er versuchte ihr Alter zu schätzen. Sie wirkte wie ein junges Mädchen und bedauernd hatte er festgestellt, dass sie viel zu jung für ihn war. Umso erstaunter reagierte er, als sie ihm mitteilte, dass sie bald dreißig würde. Aber es gefiel ihm, sehr sogar, da nun sogar das Alter passte.
Zum Ende der Veranstaltung hatte er sie zum Essen am nächsten Abend eingeladen und sie hatte abgelehnt, da sie nie mit einem Mann weggehe, der gebunden sei, außer wenn die entsprechende Dame dabei wäre. Er war sprachlos gewesen und hatte sie über den Ring an seiner Hand aufgeklärt, aber sie war bei ihrem Nein geblieben.
Am nächsten Vormittag war er zu ihrer Praxis gefahren, einen Strauß Blumen in der Hand und sie hatte sich seine Zähne angesehen, hatte ihn angelacht, „den Besuch hättest du dir sparen können. Dein nächster Termin ist erst in drei Monaten.“
Nochmals hatte er sie um ein Treffen gebeten, aber sie erwiderte nur kurz – nein.
So war er eine Woche lang jeden Tag in der Praxis aufgetaucht, sehr zum Amüsement ihrer Mitarbeiterin und am Freitag hatte sie einge- willigt. Inzwischen war er dreimal mit ihr abends essen gewesen. Er kannte vom Sehen ihre exquisite Figur mit unglaublich langen, schlanken Beinen. Er wusste so einiges aus ihrem Leben und sie hatte ihm gesagt, weshalb sie getönte Haut hatte: Ihre Großmutter war aus Brasilien eingewandert.
Sie hatten sich zu einem Glas Wein in einem Lokal getroffen, waren an einem Samstagnachmittag über den Jungfernstieg gebummelt und hatten am Abend die Sterne betrachtet. Er hatte ihr den großen Wagen gezeigt. Es war das einzige Sternenbild, das er kannte. Bedauerlicherweise hatte er ständig viel zu wenig Zeit für sie. Gerade im Moment verfluchte er das oft. Sie hatte ihm mehrmals einen Korb gegeben, da sie anderweitig verabredet sei, aber auf seine Fragen mit wem, hatte sie geschwiegen, nur die Augenbrauen gehoben.
Zu mehr war es bisher nie gekommen und er hoffte, dass es an diesem Wochenende unter Umständen der Fall sein würde. So lange hatte er noch nie auf das Eine bei einer Frau gewartet, aber er wollte sie nicht bedrängen. Sie nicht! Dabei erträumte er es sich, aber er würde darauf noch monatelang warten, wenn sie es so wünschte. Sie war es wert, sie war ihm fast alles wert und dass erschreckte ihn bisweilen. Diese Gefühlsregungen kannte er nicht. Er kam sich wie ein romantischer, schwärmerischer Teenager vor. Aber seitdem war vieles schöner, selbst der Himmel schien blauer, die Sonne strahlender. Er konnte am Schreibtisch oder abends auf der Couch sitzen, von ihr träumen. Egal wo er hinging, selbst in das Bad trug er sein Telefon, wollte nicht einen Anruf von ihr verpassen. Nur, sie rief nie an. Er war stets derjenige der sie anrief, aber er musste zumindest ihre Stimme hören, wenn er sie schon nicht treffen konnte. Er lag dabei mit
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