Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
Sie legte eine CD ein und sang zu der Musik.
*
Er saß am Fenster und blickte in sein Spiegelbild in der Scheibe des Küchenfensters, allerdings sah er sich nicht wirklich. Es war tiefe Nacht. Er war müde und wollte ins Bett, konnte aber nicht. Seit Stunden saß er hier. Die Wirkung der Tabletten ließ nach, bemerkte er. Er fühlte sich gefangen. Gefangen in der eisenharten Umklammerung, die seinen Brustkorb umfangen hielt, ihm das Atmen fast unmöglich machte. Er zog röchelnd Luft ein. Hitze wallte in ihm auf. Der Schweiß strömte über den Rücken, durchnässte sein Shirt. Er wurde tiefer und tiefer gezogen, bis er hastig aufstand. Der Stuhl polterte laut zu Boden und er zuckte zusam- men. Mit zitternden Fingern griff er zu einer Flasche Mineralwasser, trank einen Schluck, verschluckte sich, hustete und wischte mit der Hand über den Mund. Er zerrte an dem verschwitzten Shirt, warf es achtlos über einen Stuhl, bückte sich, stellte den anderen auf. Selbst diese kleinen Bewegungen fielen ihm schwer, ließen ihn stärker transpirieren. Er griff nach den Tabletten, schluckte hastig, fast panikartig drei Stück, spülte sie mit Wasser hinunter. Es war, als wenn das Dunkel ihn fest umklammert hielt. Schnell eilte er ins Bad, zog sich vollständig aus und duschte. Er schauderte, ließ aber weiter das kalte Wasser über seinen stählernen Körper prasseln.
Schleppend löste sich die Abschnürung in seiner Kehle, seinem Körper. Er atmete ruhiger, während sein Körper zu glühen schien. Nach einer Weile spürte er, wie er zögerlich das Licht wiedersah, stellte die Dusche ab, jetzt stark fröstelnd. Erst in diesem Moment hörte er das Läuten des Telefons. Er eilte in die Küche, schlang dabei das Duschtuch um die Hüfte und griff nach dem Handy.
Aufmerksam hörte er zu. „Ich komme.“
Rasch rubbelte er die dunkelbraunen Haare mit einem Handtuch trocken, zog sich hastig im Schlafzimmer an und verließ die Wohnung, sogar erleichtert, dass er diese verlassen konnte.
Es war nur wenig Verkehr, daher kam er zügig vorwärts. Mein erster Fall in Hamburg, dachte er. Der erste größere Fall. Fast war er froh darüber, da dass Arbeit bedeutete, viel Arbeit, die ihn ablenken würde.
Die drei Abteilungen, die er übernommen hatte, befassten sich mit allem aus der Gruppe der Tötungsdelikte. Zu den Tötungsdelikten zählen Mord, Totschlag, den strafbaren Schwangerschaftsabbruch und die fahr- lässige Tötung. Daneben der Versuch oder die Beihilfe und Anstiftung zum Mord sowie Tötung auf Verlangen.
Sofort, als er in die kleine Nebenstraße einbog, sah er Blaulicht blinken, die Polizeiwagen, einen Krankenwagen und trotz der späten oder frühen Stunde, je nachdem, wie man es sah, Schaulustige, Neugierige. Er parkte quer auf dem Bürgersteig, schob sich energisch an einigen Personen vorbei. Er zeigte einem uniformierten Polizisten kurz seinen Ausweis, sprang die Holzstufen in dem alten Mietshaus bis in die dritte Etage hoch, sah auf jedem Treppenansatz Leute in Schlafanzügen, Nachthem- den, die ihn teilweise neugierig, teilweise verschlafen und eine ältere Dame, die ihn ängstlich anblickte.
Die Wohnungstür stand offen, davor ein Polizist, dem er zunickte. Auto- matisch sah er das Türschloss, den Rahmen an, bevor er die Wohnung betrat. Kriminaloberkommissar Klaus Resser lehnte an der Wand, blickte nun zu ihm.
„Sie wurde bestialisch zugerichtet. Der erste Stich wurde ihr vermutlich im Flur verabreicht. Man sieht die Blutspur. Nachkommend hat sie sich in die Küche geflüchtet, wollte wohl die Tür schließen, aber der Täter war schneller.“
„Wer ist sie?“ Er zwängte sich an dem Mann vorbei, sah auf die Frau. Dunkelbraune Haare lagen ausgebreitet auf dem Boden, teilweise in Blut getaucht, genauso wie der Pullover, Teile der Jeans. Die Wangen waren mit vier Schnitten verunstaltet, teilweise blutig. Er roch süßlich nach Blut.
„Mia Gallert, Studentin, gerade zweiundzwanzig geworden.“
Der Gerichtsmediziner, Doktor Samuel Richter, schaute zu ihm empor, die grauen Augen blickten müde aus dem kantigen, unrasierten Gesicht. Die Lippen waren fest zusammengepresst, fast wie schmale Striche.
„Fünf Stiche führten nur zu Verletzungen mit erheblichen Blutverlust, erst der letzte, lange Schnitt, wie wir vermuten, war tödlich, da er die Halsschlagader getroffen hat. Post mortem! Denn war die Deern doot bleven. Postmortal ungefähr vor vier bis acht Stunden, den ausführlichen Bericht später, da muss ich man nich so
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