Daniel Taylor und das magische Zepter
die Verlockung nicht so intensiv. Außerdem gab ich ihm das Horusauge. Es schützte ihn vor der Versuchung, das Zepter aus dem Versteck zu holen. James sollte das Amulett nie ablegen, bis sich die Prophezeiung erfüllte.
Daniel horchte auf. Welche Prophezeiung?
Einer Prophezeiung zufolge sollte das Zepter einmal mein Kind retten. Alle dachten immer, dass sich die Vorhersage auf dich bezog, doch es ist Marla, wie ich selbst erst erfahren habe. Deshalb habe ich das Zepter damals, als ich es fand, auch nicht zerstört. Zwar kann es jedes magiebegabte Wesen aktivieren, aber die volle Macht kann nur der Bluterbe entfalten.
Bluterbe … Das Wort hallte in ihm nach. James hatte es ebenfalls erwähnt.
Meine Urgroßmutter Anastissa hat das Zepter geschaffen. Ihr Blut fließt auch in dir, mein Sohn, und es ist stark.
Anastissa war böse!
Ja, das war sie , sagte Kitana. Aber James und ich nicht.
Plötzlich fühlte er eine Berührung am Arm. Es war Mike.
»Mach schon, Taylor!«
Daniel war vor Erstaunen wohl stehen geblieben. Er spürte, wie das Zepter durch seinen Körper nach Mike griff.
Mikes Augen wurden groß. Daniel sah, was Blondie sah, weil er mit seinem Geist verbunden war, bis Daniel Mikes Hand abschüttelte.
Schlagartig wusste Daniel, wie sehr Mike Marla liebte und dass Mike niemals dasselbe für Vanessa empfunden hatte.
Daniel schaute auf Vanessa. Sie weinte. Bitte rette Marla! Ich kann nicht mit der Schuld leben, wenn sie meinetwegen stirbt.
Da kam es ihm so vor, als würde sich ein Schalter in seinem Kopf umlegen, und die Stimme des Dämons verstummte. In ihm steckte wohl zu viel Menschliches, und die Wächtergene taten ihr Übriges. Er war nicht zum Herrscher geboren. Den Menschen, die er liebte, würde er niemals ein Leid zufügen können. Nicht, solange er bei Verstand war.
»Ich rette Marla!«, rief Daniel.
Mike nickte. »Das habe ich gewusst!« Wer hätte gedacht, dass in Blondie ein Seher schlummerte …
»Aber du musst ein Opfer bringen«, setzte er hinzu.
Daniel schluckte. »Wieso?«
»Wir müssen immer etwas opfern, um so starke Magie wirken zu können«, sagte James, der zu ihm trat.
Daniel sah ihn scharf an. »Das sagst du mir erst jetzt?«
»Ich wollte dir nicht noch einen Grund zum Zweifeln geben.«
Durch seine mentale Übersensibilität spürte Daniel, dass James deswegen Gewissensbisse hatte. »Was muss ich opfern?«
»Ich weiß es nicht.« Sein Dad hatte Angst, genau wie er. »Das Artefakt wird das von uns nehmen, was es braucht.«
Das konnte alles sein, vielleicht sogar ihre Leben?
»Ich weiß, was es will«, warf Mike ein. »Ich habe es gesehen.«
»Rede schon!«
»Du musst dich entscheiden, ob du deine Seele oder deine Magie opferst. Im ersten Fall würdest du zum Alleinherrscher aufsteigen, im letzteren Marla retten.«
Seine Fähigkeiten! Daniel würde all seine wunderbaren Kräfte verlieren. Seine dämonischen oder auch die Wächtereigenschaften? Er wusste zwar nicht, zu welcher Kategorie die eine oder andere Kraft gehörte, aber er wollte keine davon aufgeben.
Entschied er sich dagegen, würde er der mächtigste Dämon auf Erden werden.
»Daniel!« James sah ihn scharf an.
»Beeil dich!« Vanessa kniete neben Marla und fühlte ihren Puls. Sie weinte. »Sie ist sehr schwach und sie atmet kaum noch!«
»Bitte!«, flehte Mike, Trauer und Sorge klangen deutlich aus seiner Stimme. Dennoch wirkte er nicht verzweifelt, eher entschlossen. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt, und zwei tiefe Furchen hatten sich zwischen seinen Brauen gebildet. »Ich würde alles geben, was in mir steckt, wenn ich die Wahl hätte. Alles!«
James nickte. »Ich ebenfalls.«
Daniel atmete tief ein und genoss noch einmal kurz die Vorstellung, was er alles hätte erreichen können. »Okay, ich mache es!«
James erklärte ihm hastig, dass er nur noch an Marlas Genesung denken durfte, an nichts anderes mehr. »Es kann nämlich sein, dass das Zepter automatisch nach dem Bösen in uns sucht oder nach unseren geheimsten Wünschen.«
»Ich habe nur einen Wunsch«, wisperte Mike und schaute auf Marla.
James nickte erneut. »Los! Daniel!«
Als er sich auf Marlas Genesung konzentrierte, pulsierte eine Energiewelle aus dem Zepter. Daniel riss es fast von den Beinen, die anderen wurden zu Boden gedrückt.
Er stemmte die Füße in den Kiesweg und schaute zu seinen Seiten. Blondie, Dad und Vanessa, die auf allen vieren knieten, standen die Haare zu Berge. Die Energieimpulse schlossen sie mit ein.
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