Daniel Taylor zwischen zwei Welten
Heimweh …
Stopp! Nicht an Mom denken , ermahnte er sich. Metistakles’ mentale Schläge taten höllisch weh, und Daniel wollte sich nicht schon wieder einen einfangen. Das hier würde sein neues Zuhause werden. Hier akzeptierte man ihn. Plötzlich fühlte sich Daniel ungeheuer wichtig und einer Gemeinschaft zugehörig, auch wenn er den Oberen nicht über den Weg traute. Sie strahlten ihm zu viel negative Energie ab. Wenn er selbst einmal zu ihnen gehörte, würde ihm das wahrscheinlich nicht mehr auffallen oder ihn stören. Und wie Metistakles so schön gesagt hatte: Je dunkler seine Gedanken, desto stärker würde er werden. Es gefiel ihm, mittels Gedankenkraft Magie ausüben zu können. Endlich war er wirklich wie einer der Helden aus seinen Videospielen.
Er wollte mehr erfahren, über sich, seine richtige Mutter und seine dämonischen Wurzeln, aber vor allem, wie der Hohe Rat es bewerkstelligen wollte, ihn in einen reinrassigen Dämon zu verwandeln, denn nur dann würde er endgültig als Herrscher zugelassen werden.
»Eins nach dem anderen«, erwiderte Obron scharf, der wohl schon wieder in seinem Kopf herumgeschnüffelt hatte.
Daniel fand, dass das zuerst kommen sollte, aber okay, anscheinend galten hier andere Regeln als in der Schule: erst die Praxis, dann die Theorie.
Er hatte Obron angesprochen, als Daniel gewisse Schwingungen im kognitiven Netzwerk aufgefangen hatte, ja, richtiggehende Hasstiraden, weil er eben ein »Halbling« war und daher nicht würdig, den Thron zu besteigen. Doch er würde allen zeigen, wie würdig er war, Herrscher zu werden.
Er sammelte erneut seine Konzentration, legte all seinen Hass und andere negative Gefühle in die Aufgabe und versuchte, seine magische Energie in der Handfläche zu bündeln. Ein grellblauer Ball aus Elektrizität materialisierte sich in seiner Hand. Er knisterte und roch nach Ozon. Der Ball waberte, schwoll an und fiel wieder ein wenig in sich zusammen, aber er verpuffte nicht wie seine letzten Versuche.
Er hatte es geschafft!
»Und jetzt schleudere ihn gegen diesen Menschen«, sagte Metistakles mit einem hinterhältigen Grinsen und deutete auf eine junge Frau, die aus einem dunklen Winkel der Höhle trat. Sie starrte ängstlich zu ihnen herüber.
»Vanessa!«, rief Daniel.
Augenblicklich löste sich sein Geschoss auf. Schon wollte er zu ihr laufen, doch da erkannte er dank seiner außergewöhnlichen Sehkraft, dass sie es nicht war. Vanessa hatte ein winziges Muttermal auf der Wange. Das Mädchen sah ihr allerdings verdammt ähnlich.
Metistakles lachte leise. »Deine Reaktion verrät deine wahren Gefühle. Du bist einfach keiner von uns.«
In Daniel braute sich Wut zusammen. Er wollte endlich Teil von »etwas« sein, irgendwo dazugehören. Metistakles’ Worte trafen ihn zutiefst. Aber er konnte doch keinen Menschen töten!
Plötzlich flackerte das Mädchen.
Moment – das war kein Mensch, es war eine Illusion!
Ich werde euch zeigen, wozu ich fähig bin , dachte Daniel und hatte im Nu ein neues Geschoss erzeugt. Er atmete tief durch und warf die tödliche Kugel auf das Mädchen …
Marla ließ sich nur aus einem einzigen Grund nicht mehr an der Oberfläche blicken: Sie musste auf Silvan aufpassen. Immerhin war er ihr Bruder, und sie fühlte sich ihm tatsächlich irgendwie nah. Unglaublich, aber wahr. Sie schob es auf ihre Blutsverwandtschaft. In der Unterwelt hatte Marla keine Verbündeten, nicht einmal Sirina. Die war eine Schreckschraube, die Marla nur herumkommandierte.
Marla fühlte sich weniger einsam, seit Silvan in ihr Leben getreten war. Irgendwie waren sie sich sehr ähnlich. Silvan war auf der Oberwelt ebenso allein gewesen wie sie hier unten. Marla saß auf ihrem Bett und schüttelte bei dem Gedanken den Kopf. Wieso war sie plötzlich so sentimental? Was war nur mit ihr los? Seit sie Mike begegnet war, purzelte alles in ihrem Kopf durcheinander. Obwohl sie den jungen Mann schon seit Ewigkeiten – so kam es ihr zumindest vor, denn die Zeit tickte hier unten anders – nicht mehr gesehen hatte, bekam sie ihn nicht aus dem Kopf. Eigentlich war Mike Grund Nummer zwei, warum sie lieber in ihrem dunklen Loch in der Unterwelt blieb. Sonst würde sie nur noch mehr an ihm hängen. Sogar Metistakles hatte bemerkt, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Zum Glück schien er auf andere Informationen aus zu sein und sich sonst nicht für sie zu interessieren, denn sie konnte Mike kaum aus ihrem Kopf aussperren. Die Erinnerungen an ihn hatte sie
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