Danielle Steel
wenn sie um ihn weinte, da ran erinnert. Jetzt stand er vor ihr, und sie empfand ein merkwürdiges Gefühl der Traurigkeit und Leere. Gern hätte sie behauptet, dass es ihr gleichgültig war, dass Joe sie kalt ließ, doch sie spürte einen Stein in der Magengegend. Dies war für Kate schon immer ein untrügliches Zeichen für jene Verliebtheit gewesen, die sie Joe gegenüber vom ersten Mom ent an empfunden hatte. Mit Andy erging es ihr anders, bei ihm war sie ruhig und entspannt. Joe jedoch, der nur wenige Zentimeter vor ihr stand, machte sie nervös. Kate redete sich ein, dass er nichts weiter als ein Teil ihrer Vergangen heit sei, aber sie spürte dieselbe Spannung wie früher und fragte
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sich, ob dieses Gefühl wohl jemals verschwinden würde. »Wer ist denn der Glückspilz?«, fragte Joe beiläufig. Er hatte nicht vor, sie gleich wieder gehen zu lassen.
»Andy Scott, mein alter Freund aus Cambridge.«
»Deine Mutter war ja schon immer der Meinung, dass du ihn heiraten solltest. Sie ist bestimmt sehr zuf rieden.« Seine Stimme klang plötzlich scharf. Er wusste, dass Elizabeth ihn am Ende gehasst hatte.
»Ja, das stimmt«, bestätigte Kate benommen. Es war, als ob er etwas verströmte, das sie betäubte. Sie befahl sich, weiterzugehen, doch sie war wie gelähmt. Sie blieb stehen und fügte hinzu: »Sie liebt den Kleinen über alles.«
»Er ist auch wirklich niedlic h. Ach, übrigens, die Geschäfte laufen ganz gut.«
Kate lächelte angesichts seine r Bes cheidenheit. Seine Firma war zu einem der bedeutendsten Unternehmen des gesamten Landes geworden. Andy hatte mehrmals erwähnt, dass Joe Millionen verdient hatte . Zuletz t hatte Kate gelesen, dass er die Fluggesellschaft AllWorld gründen wollte.
»Ich habe oft in den Zeitungen von dir gelesen, Joe. Fliegst du denn immer noch so viel?«
»So viel wie eben möglich. Aber ich habe nicht genug Zeit. Ich teste immer noch meine eigenen Entwicklungen, aber das ist nicht dasselbe. Wir sind gerade dabei, Flugzeuge zu bauen, die in der Lage sind, die Ozeane zu überqueren . Vor ein paar Wochen war ich m it Charles in Par is. Doch meistens stecke ich in der Vorstandsetage oder in meinem Büro fest. Ich wohne jetzt übrigens in der Stadt.«
Es war wie ein Gespräch unter alten Freun den, die sich zufällig an einer Straßenecke g etroffen hatten und nun unbefangen an alte Zeiten anknüpften. Doch so schien es nur. Die Unterhaltung war alles andere als unbeschwert. Sie
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bewegten sich auf dünnem Eis, das jeden Augenblick einbrechen konnte. Kate versuchte sich einzureden, dass alles in Ordnung sei, doch instinktiv wusste sie, dass sie sich etwas vormachte.
»Wir haben jetzt verschiedene Niederlassu ngen: hier, in Chicago und in Los Angeles. An der W estküste bin ich recht häufig, aber die meiste Zeit verbringe ich in New York«, ergänzte Joe. Er kam gerade aus seinem Büro.
»Du bist ein bedeutender Mann, Joe.«
Kate erinnerte sich an die Zeiten, in denen er noch keinerlei Ansehen genossen hatte. Schon damals hatte sie ihn geliebt. In gewisser Weise schien er sich verändert zu haben, denn er strahlte eine gewisse M acht aus. Doch auf der an deren Seite war er derselbe geblieben: linkisch, schüchtern, unsicher. Er wich ihrem Blick aus, und im nächsten Mom ent sah er ihr direkt in die Augen, als ob er ihre Gedanken lesen könne. Kate konnte seinem Blick unm öglich ausweichen .
»Soll ich dich irgendwohin bringen, Kate? Es ist für euch zwei doch viel zu heiß hier draußen.«
»Wir wollten ein wenig Luft schnappen. Ich w ohne nur ein paar Blocks weiter, es macht mir nichts aus zu laufen.« »Komm«, sagte Joe und nahm si e am Ar m, ohne eine Antw ort abzuwarten. Auf der anderen Straßenseite wartete ein Wagen auf ihn, und schon steuerte er den Kinderwagen hinüber. Kate folgte ihm, und ehe sie sich vers ah, saß sie schon mit Reed in den Armen im Fond des W agens. Der Fahrer verstaute den Kinderwagen im Kofferraum , und Joe setzte sich neben sie. »Wo wohnst du? «
Sie nannte ihm die Adresse, und Jo e gab sie an den Chauffeur weiter.
Kate lehnte sich zurück und drückte Reed an sich.
»Ich wohne nur ein paar Blocks entfernt … in einem
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Penthouse. Dort habe ich immer ein bisschen das Gefühl zu fliegen. Und was ist mit dir? W as treibst du den Sommer über?«, fragte Joe.
»Ich weiß nicht … wir … ich …«
Kate war überwältigt von Joes Nähe. Er hatte eine enorm starke Ausstrahlung. Sie fühlte sich, als ob sie in einen
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