Danielle Steel
verstoßen. Plötzlich bekam sie Angs t.
Drei Stunden später kamen die Wehen schon häufiger, aber es ging doch alles sehr langsam vora n. Andys Nerven lagen blank. Unruhig lief er im W arteraum auf und ab. Um neun Uhr waren sie im Krankenhaus eingetroffe n, und um die Mittagszeit herum hatte er immer noch keine Nachricht erhalten. Jedes Mal, wenn er eine der Schwestern fragte, wurde er brüsk abgewiesen. Es schien ewig zu dauern, bis ein Kind auf die Welt kam.
Um vier Uhr nachm ittags wurde Kate endlich in den Kreißsaal gebracht. Die Ärzte bestätigten, dass alles reibungslos verlief, doch Kate fühlte sich elend und weinte. Sie sehnte sich nach
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ihrem Mann.
Der jedoch saß noch immer im W artezimmer und sah andere Väter kommen und gehen. Manche warteten schon länger als er selbst. Eine Geburt schien ein endloser Vorgang zu sein, und Andy hätte alles gegeben, um bei se iner Frau sein zu können. Er hoffte inständig, dass mit Kate alles in Ordnung war.
Doch die Geburt verlief tatsäch lich sehr langsam, denn das Kind war außergewöhnlich groß.
Um sieben Uhr am Abend sprachen die Ä rzte über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts, entschieden sich aber d ann doch dafür, Kate noch eine Weile weiterpressen zu lassen. Z wei Stunden später erblickte Reed Clarke Scott das Licht der Welt, benannt nach seinen beiden Großvätern. Er wog knapp fünf Kilogramm und hatte den dunklen Haarschopf seines Vaters. Andy fand jedoch, dass er vor allem Kate ähnlich sah. Nie hatte er etwas Schöneres gesehen als seine Frau, die nach der Geburt in einem rosafarbenen Bettjäckchen im Bett lag und in ihren Armen das schlafende Kind hielt.
»Er ist einfach vollkommen!«, flüsterte Andy. Zwölf Stunden hatte er im Wartezimmer verbr acht und war vor Sorge um seine Frau und sein Kind beinahe verrückt geworden. Doch Kate machte einen bemerkenswert ruhigen Eindruck. Sie war überglücklich, als sie Andys Hand ergriff. Erschöpft schaute sie ihn an, doch sie fühlte sich so friedlich wie nie in ihrem Leben. All ihre Träume waren endlic h wahr geworden. Ihre Mutter hatte Recht behalten: Sie hatte das Richtige getan. Dessen war sie sich jetzt vollkommen sicher.
Fünf Tage lang blieb Kate mit dem Kind im Krankenhaus. Dann brachte Andy die beiden nach Hause. Er hatte für vier Wochen eine Krankenschwester eingestellt. Überall in der Wohnung standen frische Blumen. Der stolze Vater hielt den Säugling, während Kate ins Bett kletterte. Der Arzt hatte ihr drei Wochen Bettruhe empfohlen. Die Wiege, in der Reed schlief,
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wurde neben das Bett geschoben. Wenn der Kleine aufwachte, wurde er gestillt, und Andy schaute fasziniert zu.
»Du bist wunderschön, Kate.« Die lange Zeit, die er auf diese Frau und ein Kind gewartet hatte, war nicht umsonst gewesen. Seiner Meinung nach lohnte es sich immer, auf etwas Wertvolles zu war ten. Der Säugling hatte ihn reg elrecht verzaubert. Er hatte eine rosafarbene Haut, war rundlich und einfach vollkommen.
Kate war siebenundzwanzig Jahre alt, als Reed geboren wurde. Sie hatte die nötige Reife und war eine wunderbare Mutter, die sich rührend um den Kleinen kümm erte. Es schien ihr, als hätte sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Zeitpunkt gewartet, und wie ihr Ehemann ging sie vollkommen in ihrer Rolle auf. Glücklicher konnten Kate und Andy nicht sein.
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eed war zweieinhalb Monate alt, als Andy eines Abends
ganz aufgeregt aus dem Büro nach Hause kam. Er war Mitglied einer Kommission geworden, die nach Deutschland reisen würde, um Kriegsverbre cherprozesse zu beobachten. Die Prozesse fanden schon seit einiger Zeit vor deutschen Gerichten statt, und Juristen verschiedener Fachrichtungen wurden für einige Monate nach Europa geschickt. Andy hatte in der Kanzlei seines Vaters schon einige Erfahrungen auf diversen juristischen Gebieten erworben. Die Ernennung bedeutete für ihn eine große Ehre.
»Darf ich dich begleiten?« Kate war ebenf alls begeistert. Das Ganze klang nach einer sehr spannenden Aufgabe, und sie hatte großes Interesse daran.
»Das glaube ich nicht, Liebling. Wir werden in Militärbaracken untergebracht. Dort gibt es keinerlei Luxus. Bloß die Arbeit wird spannend sein.« Er war begeistert von der Aussicht, nach Europa zu reisen, obwohl er es gleichs am bedauerte, Kate und Reed zurücklassen zu müssen.
»Wie lange wirst du denn fort sein?«
Es klang nach einem längeren Aufenthalt.
»Das ist der Haken an der Sache«, antwortete Andy bedrückt.
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