Danielle Steel
gereist. Kate ließ ihm Grüße ausrichten. Nur hin und wieder schickte Joe ihr kurze Postkarten.
Eines Abends, kurz vor Thanksgiving, blickte Andy sie intensiv an. Schon seit einem Jahr lebten sie in dieser vergifteten Atmosphäre.
»Gibt es nicht wenigstens eine kleine Chance, dass wir wieder Freunde sein können? Ich verm isse die Gespräche mit dir, Kate«, sagte er.
Sie hatten alles eingebüßt, was sie einst geteilt hatten. Andys Sieg war nichts wert, denn von Kate war nur noch eine leere Hülle übrig geblieben.
»Lass es uns wenigstens versuchen.«
Doch noch während er die Worte aussprach, sah er in Kates Augen, dass es keine Hoffnung gab. Innerlich hatte sie ihn längst verlassen.
»Ich weiß nicht«, gab sie teilnahmslos zurück. Seit einem Jahr empfand sie nichts mehr für ihn. Der einzige Mann, der sie immer interessiert hatte, war Jo e, doch der war erneut aus ihre m Leben verschwunden. Seine Flugzeuge hatten wieder den ersten Platz eingenommen, so wie es immer gewesen war. Nur für eine kurze Zeit hatte sie geglaubt, dass es anders würde sein können. Nun, da sie sich endgültig getrennt hatten, konzentrierte er sich wieder auf seine Maschinen. Sie waren alles, was er hatte. Eine
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andere Frau gab es nicht für ihn.
Über die Fe rien fuhr die kle ine Familie zu Andys Eltern. In dieser Zeit begann Kate vor lauter Einsamkeit, wieder mit ihrem Mann zu sprechen. Doch dabei blieb es auch. Seit achtzehn Monaten hatte sie nicht mehr neben ihm geschlafen. Sie hatte mit Reed das zweite Schlafzimmer bezogen. Silvester verbrachten sie mit Freunden und tanzten sogar miteinander. Kate trank ungewöhnlich viel Champagner. Tatsächlich hörte Andy sie irgendwann herzlich lachen. Am Ende war sie so betrunken, dass sie auf dem Heim weg sogar mit ihm flirtete. Seit anderthalb Jahren h atte er nicht m ehr so viel Spaß m it ihr gehabt, und er fühlte sich an die alten Zeiten erinnert. Als sie zu Hause waren, half er ihr aus dem Mantel. Der Träger ihres Kleides rutschte von ihrer Schulter, und Andy betrachtete seine Frau so, wie er sie schon seit einer Ewigkeit nicht m ehr angesehen hatte. Auch er hatte einiges getrunken, und plötzlich küsste und streichelte er sie. Überrascht stellte er fest, dass sie seine Zärtlichkeiten erwiderte.
»Kate?«
Andy wollte den Schwips seiner Frau nicht ausnutzen, aber die Versuchung war zu groß. Trotz aller Unstimmigkeiten waren sie immerhin miteinander verheiratet und lebten seit geraumer Zeit absolut enthaltsam. Kate war achtundzwanzig Jahre alt, Andy war vor kurzem dreißig geworden, und hinter ihnen lag das schrecklichste Jahr, das sie beide je erlebt hatten.
Kate folgte ihrem Mann ins Schlafzimmer. Reed war nun fast zwei Jahre alt und schlief tief und fest nebenan.
»Möchtest du heute Nacht nicht bei mir schlafen, Kate?«, fragte Andy vorsichtig.
Ohne ein Wort streifte Kate ihr Kleid ab und schlüpfte ins Bett. Andy gab sich keiner Illusion hin. Sie liebte ihn nicht. Sie waren beide einsam und klamm erten sich nun aneinander. Am nächsten Morgen konnte Kate sich kaum daran erinnern,
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dass sie mit Andy geschlafen hatte. Sie registrierte sofort, dass sie in seinem Bett lag. Hastig husc hte sie in ihr Schlafzimmer hinüber. Als Andy erwachte, war er allein.
Beide hatten an jenem Tag einen entsetzlichen Kater und wechselten kaum ein Wort m iteinander. Kate war über die nächtlichen Ereign isse zutiefst v erärgert. Vierzehn Mo nate zuvor hatte sie sich geschworen, dass sie Andy nie wieder berühren würde. Bis zu jener Nacht war sie ihrem Schwur treu geblieben. Doch sie hatte sich schon so lange allein gefühlt, und der Champagner hatte ihre Sehnsucht nach Zärtlichkeit entfesselt.
Weder Andy noch Kate erwähnten den Vorfall, und beide kehrten zurück in ihre Einsamkeit. Erst Ende Febr uar teilte Kate ihrem Mann m it, dass sie schwanger sei. Sie war verzweifelt gewesen, als sie es entdeckt hatte. Dadurch war sie nun noch stärker an ihn gebunden. Doch im Grunde hatte sie schon vor langer Zeit die Hoffnung aufgegeben, dass er sie jemals gehen lassen würde. Daran hatte er keinen Zweifel gelassen. Für den Rest ihres Lebens musste sie bei ihm bleiben, und jetzt erwartete sie auch noch das zweite Kind von ihm.
Andy hoffte zunächst, dass sie wieder zusammenfinden würden, doch die Kluft wurde noch größer. Kate fühlte sich elend. Sie blieb Tag und Nacht im Bett. Den ganzen Frühling verbrachte sie dort, stand nur nachmittags kurz auf, um m it Reed in den
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