Danielle Steel
Park zu gehen. Ihr Unwohlsein war ein weiteres Mittel, um Andy aus ihrem Leben auszuschließen.
Wenn Andy vom Büro nach Haus e kam, aßen sie schweigend zu Abend, und das einzige Geräusch, das in der Wohnung zu hören war, war Reeds Geplapper.
Im Juni las Kate in der Zeitung, das Joe sich verlobt hatte. Sie rief ihn an, um ihm zu gratuliere n, doch er hielt sich gerade in Paris auf. Er rief sie niemals mehr an. Mit neunundzwanzig Jahren hatte Kate das Gefühl, ihr Leben sei bereits zu Ende. Sie
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war mit einem Mann verheiratet, f ür den sie schon lange nichts mehr empfand, sie erwartete ein Kind, das sie nicht wollte, und hatte nun den einzigen Mann, den sie jemals geliebt hatte, endgültig an eine andere verloren. Das Kind würde im September auf die Welt kommen, doch Kate schien sich überhaupt nicht dafür zu interessieren. Die einzige Freude in ihrem Leben waren ihr S ohn und ihre Erinnerungen an Joe. Schließlich, kurz bevor das Kind geboren werden sollte, tat Andy den ersten Schritt. Es war bereits spät am Abend. Kate lag auf ihrem Bett und la s, Reed lag tief schlafend neben ihr. Im März war er zwei Jahre alt geworden, und er war ein niedlicher, liebenswerter Junge.
Kate blickte auf, als Andy das Zimmer betrat. Er war ihr fremd geworden. Sie konnte sich kaum noch vorstellen, dass sie sich einst so nahe gestanden und sogar geglaubt hatten, einander zu lieben. Jetzt waren sie nicht einmal mehr Freunde.
»Wie geht es dir?«, fragte er und setzte sich auf die Bettkante. Seit acht Monaten waren sie sich nicht mehr so nahe gekommen. Es war schwer zu glauben, dass das nun schon seit beinahe zwei Jahren so ging.
»Ich fühle mich dick.« Kate zog eine Grimasse.
»Ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich ziehe aus, sobald das Kind da ist.« Schon vor Wochen hatte Andy sich das überlegt. Am selben Nachmittag hatte er eine Wohnung für sich gemietet. Er konnte so nicht mehr weiterleben. All das, was ihn einst mit Kate verbunden hatte, all ihre gemeinsamen Träume, waren schon vor langer Zeit gestorben. Er wusste jetzt, dass er sie nicht länger festhalten konnte. Im Herzen hatte sie ihn schon längst verlassen. Der Sieg, den er über Joe errungen hatte, war bedeutungslos. Kate hatte ihm nie gehört, weil sie imm er Joe geliebt hatte.
»Warum?«, fragte Kate ruhig und legte das Buch beiseite. »Warum sollte ich ble iben? Du hattest Recht: Es war alles ein
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Fehler. Es tut mir Leid, dass ich dich in der Silves ternacht geschwängert habe. Das macht die Dinge noch komplizierter.« »Schicksal.« Kate glaubte inzwischen daran, dass es eine höhere Macht gab. Das Schicksal war dafür verantwortlich, ob Menschen zusammenfanden oder auseinander gingen, ob sie zum richtigen Zeitpunkt die richti ge Entscheidung trafen. »Ein Geschwisterchen wird Reed auf jeden Fall gut tun«, fuhr Kate fort. »Wohin ziehst du denn?«
Sie konnte kaum glauben, dass sie für diesen Mann einmal Zuneigung empfunden hatte. Ihre Freundschaft war jedenfalls erfolgreicher gewesen als ihre Ehe.
»Ich hätte schon vor zwei Jahren auf dich hören sollen«, sagte Andy.
Kate nickte und schwieg. Für die zwei Jahre, die er gebraucht hatte, um einer Scheidung zuzustim men, hatte sie einen hohen Preis gezahlt: Sie hatte Joe endgültig verloren. Sie fragte sich, ob er nicht längst verheiratet war. Die Zeitungen hatten nichts dergleichen berichtet. Aber sie m usste das akzeptieren. Es war endgültig zu spät. Andy hatte ihr Leben zerstört und ihre Träume ebenso.
»Wahrscheinlich war es gut, dass du es wenigstens versucht hast«, sagte sie zu Andy und bemühte sich, fair zu bleiben. Doch im Grunde wusste sie es besser. Ihre Ehe mit Andy war in dem Augenblick zu Ende gewesen, als sie Joe wieder gesehen hatte. »Geh zurück zu ihm, Kate«, sa gte Andy sanft und erinnerte sie wieder an den Freund, der er ihr einst gewesen war. »Ich habe nie verstanden, was euch eigentlich miteinander verbindet, doch was es auch sein mag, es ist sehr mächtig. W enn du es so sehr willst, verdienst du es auch.« Doch Kate fühlte sich leer. Nichts war ihr mehr geblieben. »Sag ihm, dass du jetzt frei bist. Er hat ein Recht, davon zu erfahren.«
Zwei Jahre lang hatte Andy sich schuldig gef ühlt wegen der Lügen, die er Joe erzählt hatte. Doch er hatte keine Ahnung, wie
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er das Bild, das er von Kate gezeichnet hatte, wieder korrigieren sollte. Er hatte nicht den Mut, se iner Frau zu er zählen, welches Unheil er angerichtet hatte. Doch Joe und Kate
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