Danielle Steel
chen. Er hatte geglaubt, sie hätten alles geklärt. Kate hatte doch gesagt, sie sei auch mit einem Kind zufrieden. Sie wo llte eine Kinderschwester engagieren, um m it ihm auf Reisen gehen zu können. Doch Andys Bild schien ihm plötzlich viel realistischer. Besonders die Beschreibung Kates beunruhigte ihn außerordentlich. Der Selbstmordversuch brachte das Fass zum Überlaufen.
»Also, was tun wir jetzt, Joe? Ich will weder meine Frau noch meinen Sohn verlieren. Ich möchte nicht, dass sie sich verlassen fühlt, wenn Sie auf Reisen sind. Sie könnte eine weitere Dummheit begehen. Sie ist sehr labil, das liegt offenbar in ihrer Familie. Schließlich hat sich ihr Vater auch umgebracht. Wer weiß, eines Tages …«
Es war ein böses und grausames Spiel, das Andy da mit Kate spielte. Sie hatte keine Ahnung davon, was ihr Mann über sie verbreitete. Andy spielte mit Joes Ängsten, und Joe geriet dermaßen in Panik, dass er kaum ein Wort hervorbrachte. Der Wunsch, einfach davonzulaufen, wurde übermächtig. Er dachte nur noch daran, dass Clarke seine Tochter seinerzeit als äußerst zerbrechliches Wesen beschrieben hatte. Es gab für ihn keine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. Soweit er wusste, hatte Kate niemals daran gedacht, sich das Leben zu nehmen, so unglücklich sie auch gewesen sein mochte. So etwas wäre ihr nicht im Traum eingefallen. Doch Andy hatte m it seinem Manöver genau das erreicht, was er wollte. Unabhängig von seiner Liebe zu Kate erkannte Joe nun, dass er die Verantwortung für sie nicht übernehmen konnte. Das hatte er im Grunde schon immer geahnt. Andy hatte mit seinen Enthüllungen dazu beigetragen.
»Also, was geschieht nun?«, fragte Andy unschuldig. Das, was er soeben getan hatte, war niederträchtig. Joe wäre es
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niemals in den Sinn gekommen, zu derartigen Mitteln zu greifen. Aber seine Ängste waren so erdrückend, dass er Andys Spiel nicht als das erkannte, was es war: die Tat eines verzweifelten Mannes. Joe nahm jedes W ort ernst. Am liebsten wäre er auf der Stelle in Tränen ausgebrochen.
»Ich glaube, Sie haben Recht. So sehr ich m ich auch bemühen würde … das Leben, das ich führe, würde Kate nur schaden. Wenn sie sich etwas antäte, während ich auf Reisen bin …« Schon die Vorstellung überwältigte ihn.
»Ich halte das durchaus für möglich«, sagte Andy nachdenklich, als würde er das Für und Wider abwägen. Er hob den Kopf und schaute Joe in die Augen. Blanke Angst war darin zu erkennen.
»Das darf ich ihr nicht antun. Bei Ihrem Job können Sie immerhin ein Auge auf Kate behalten. Hatten Sie denn keine Angst um si e, während Sie die vier Monate in Europa waren?«, fragte Joe verwirrt.
Doch Andy hatte bereits eine Erklärung parat. »Meine Eltern hatten mir versprochen, sich um s ie zu kümmern. Außerdem geht sie zweimal pro Woche zu einem Psychiater.«
»Psychiater?« Joe wurde immer blasser. »Sie geht zu einem Psychiater?«
Andy nickte. »Davon hat sie Ihnen auch nichts erzählt? N un ja, es ist eines ihrer dunkelsten Geheimnisse.«
»Offenbar hat sie recht viele davon.«
Doch endlich verstand Joe die Gründe dafür. So etwas gab natürlich niemand ohne weiteres preis. Er ahnte nicht, dass das genau der Grund war, weshalb Andy ihm di ese Geschichten auftischen konnte. Kate war natürlich noch nie bei einem Psychiater gewesen. Genauso wenig hatte sie Andy verfolgt, wenn er bei der Arbeit war. An keinem einzigen Tag war er jemals mittags zu Hause gewesen, um nach ihr zu sehen. Das alles war gelogen. Aber es verfehlte nicht seine Wirkung.
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»Ich weiß gar nicht, was ich ihr sagen soll«, stellte Joe voller Verzweiflung fest. Er liebte Kate und sie ihn, doch nun war er davon überzeugt, dass ein Leben mit ihm sie zerstören und vielleicht sogar umbringen würde. D ieses Risiko würde er n icht eingehen. An einer solchen Schul d würde er zugrunde gehen. Joe sehnte sich danach, endlich allein zu sein. Noch nie in seinem Leben war er so unglücklich gewesen, nicht einm al damals, als Kate ihn verlassen hatte. Dies hier war um ein Vielfaches schlimmer. Er hatte Kate wirklich heiraten wollen. Doch nun erkannte er, dass es besser für sie war, wenn sie bei Andy bliebe. Es gab gar keinen anderen Weg.
Er erhob sich, um seinem Gege nüber zu signalisieren, dass das Gespräch beendet war. Mit fins terer Miene schüttelte er Andy die Hand.
»Ich danke Ihnen, dass Sie sich hierher bem üht haben«, sagte Joe ernst. »Ich bin davon überzeugt, dass
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