Danielle Steel
sagen. Bestimmt fühlte er sich von Kate angezogen, wer konnte sich auch ihrem Charm e entziehen? Doch was wirklich in ihm vorging, wusste niemand, nicht einmal Joe selbst war si ch darüber im Klaren. Als die Tafel aufgehoben wurde, legte Clarke seiner Frau den Arm um die Schultern und flüsterte: »Siehst du, sie sind einfach nur miteinander befreundet. Ich hab’s dir doch gleich gesagt.« Offenbar hatte er einen völlig anderen Eindruck als Elizabeth. »Wie kommst du nur darauf?«, fragte sie niedergeschlagen. »Sieh sie dir doch an! Sie sprechen wie alte Freunde miteinander. Er neckt s ie wi e eine kleine Schwester.«
»Ich glaube, dass sie ineinander verliebt sind.«
Clarke und Elizabeth blieben hinter den anderen zurück. Ihre Freunde waren alle sehr nett, und Joe war zweifellos eine Bereicherung für die Gruppe gewesen. Aber das war es nicht, was Elizabeth beunruhigte.
»Du bist eine unverbesserliche Romantikerin, mein Schatz«, sagte Clarke und küsste sie.
»Nein, leider nicht«, gab Elizabeth zurück. »Ich bin höchstens eine Zynikerin oder vielleicht auch nur Realistin. Ich m öchte nicht, dass er Kate verletzt, und das könnte geschehen. Ich will nicht, dass ihr so etwas passiert!«
»Ich doch auch nicht. Joe würde das nie tun. Er ist ein feiner Kerl.«
»Ich bin da nicht so sicher. Auf jeden Fall ist er ein Mann. Und außerdem ein Held. Ich glaube, dass er von ihr ebenso beeindruckt ist wie sie von ihm. Aber irgendetwas stimm t nicht mit ihm. Als ob er e twas mit sich herum trägt. Seine Eltern starben, als er noch ein Säugling war. Und er will nicht über seine Familie sprechen. Gott weiß, was ihm in seiner Kind heit
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widerfahren ist. W arum wohl ist er nicht längs t verheiratet?« Elizabeths Fragen waren völlig no rmal für eine besorgte Mutter. Doch Clarke beharrte darauf, dass sie sich ohne Grund sorgte. »Er ist eben sehr beschäftigt«, stellte er nüchtern fest. Mit diesen Worten betraten sie das Wohnzimmer, in dem sich die Gäste schon versammelt hatten. Kate und Joe saßen in einer Ecke und waren in ein Gespräch vertieft. Ein Blick genügte, und Elizabeth fühlte sich bestätigt. Die beiden nahmen die Leute um sie herum gar nicht wahr. Es war zu spät! E lizabeth konnte nur noch beten.
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A
m Freitag nach Thanksgiving hol te Joe Kate zu Hause ab.
Sie verbrachten den ganzen Nachmittag miteinander, gingen spazieren und tranken anschließend Tee im Ritz. Kate erzählte Anekdoten über ihre R eisen nach Singapur und Hongkong und von ihren Erlebnissen in Europa. Nie mand, der jemals mit Joe zu tun hatte, hätt e ihn wieder erkannt. In Kates Gesellschaft wurde er gesprächiger, als er es jem als in seinem Leben gewesen war. Sie waren beide äußerst vergnügt. Abends lud Joe Kate zum Dinne r ein. Anschließend gingen sie ins Kino, um sich Citizen Kane anzuschauen. Beide waren begeistert! Es war schon beinahe Mitternacht, als Joe Kate nach Hause brachte.
Kate gähnte, als sie sich von ihm ve rabschiedete. »Es war ein wundervoller Tag!«, schwärmte sie und lächelte ihn an. Joe erwiderte ihr Lächeln. »Für mich auch, Kate.« Er schien noch etwas sagen zu wollen, schwieg dann aber.
Einen Augenblick später betrat Kate das Haus und stieß am oberen Treppenabsatz beinahe mit ihrer Mutter zusammen, die gerade aus der Küche kam.
»Hattest du einen schönen Tag?«, fragte Elizabeth und gab sich Mühe, keinen allzu beso rgten Eindruck zu machen. Am liebsten hätte sie gefragt, was Joe gesagt und getan hatte, ob er sie geküsst oder irgendetwas anderes unternommen hatte, was sie nicht billigte. Doch sie erinnerte sich an Clarkes Worte und verzichtete darauf. Kate auszuhorchen.
»Ja, es war wirklich sehr schön, Mom«, antwortete Kate zufrieden. Sie hatte es genossen, mit Joe zusammen zu sein, und es fiel ihr schwer zu glauben, dass dies erst das vierte Mal gewesen war, dass sie ihn getroffen hatte. Es waren die Briefe
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gewesen, die sie zueinander geführt hatten. Sie gingen wie alte Freunde miteinander um, der Altersunterschied spielte überhaupt keine Rolle. Manchmal erinnerte Joe sie an einen kleinen Jungen.
»Seht ihr euch morgen wieder?«
Kate hätte ebenso gut lügen können, doch das wollte sie nicht, und so nickte sie.
»Er nimmt dich doch nicht etwa in einem seiner Flugzeug e mit, oder?«
»Natürlich nicht!«, entgegnete Kate. Joe hatte den ganzen Tag nicht ein einziges Wort darüber verloren. Und a m Sonntag würde er nach Kalifornien zurückkehren. Für einen
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