Danielle Steel
Flug blieb also gar keine Zeit.
Elizabeth wünschte ihrer Tochter eine gute Nacht, und Kate ging nachdenklich in ihr Zimmer. Sie musste endlich herausfinden, was sie eigentlich für Joe empfand. Aber vielleicht war es auch gar nicht von Belang. Schließlich hatte er ihr nicht den kleinsten Hinweis gegeben, dass seine Gefühle für sie über rein freundschaftliche hinausgingen. Kate fühlte sich zwar stark von Joe angezogen, doch sie war davon überzeugt, dass Joe dies nicht erwiderte.
Am nächsten Morgen – es war ein strah lender Herbsttag, und Kate war gerade auf dem Weg in die Küche, um zu frühstücken – klingelte um kurz nach acht das Telefon in der Halle. Elizabeth und Clarke schliefen noch. Zu Kates großer Überraschung war Joe am Telefon.
»Habe ich Sie geweckt?«, fragte er besorgt und ein wenig verlegen. Er hatte befürchtet, dass Kates Mutter an den Apparat gehen würde, und war nun sehr erleichtert.
»Nein, ich war schon auf. Ich wollte gerade etwas essen«, entgegnete Kate.
Sie waren zum Lunch verabredet. K ate hatte damit gerechnet,
74
dass Joe anrufen würde, um die genaue Uhrzeit zu erfragen. Doch für diesen Anruf war es ein wenig zu früh. Sie war froh darüber, dass sie selbst ans Telefon gegangen war. Ihre Mutter wäre bestimmt verärgert gewesen.
»Es ist ein so schöner Tag, finden Sie nicht?« Joe führte offenbar etwas im Schi lde. »Ich … ich habe eine Überraschung für Sie … so was Ähnliches jedenfalls. Es wird Ihnen gefallen … jedenfalls hoffe ich das.«
Wie ein kleiner Junge, der sich über ein neues Fahrrad freut, dachte Kate. Sie lächelte. »Bringen Sie die Überraschung denn mit, wenn Sie mich nachher abholen?« Sie hatte keine Ahnung, worum es sich handeln könnte, und Joe m achte die ganze Sache wirklich sehr spannend.
Er zögerte, bevor er schließlich sa gte: »Ich ha tte eher da ran gedacht, Sie zu der Überraschung zu bringen. Das ist einfacher. Geht das in Ordnung, Kate?« S ie musste einfach Ja sagen. Offenbar bedeutete ihm ihre Zusage sehr viel. Sein Geschenk war nur für sie bestimmt, und es wa r das größte Geschenk, das er ihr machen konnte.
Clarke hätte vielleicht schon geahnt, worum es ging, aber Kate war ahnungslos. »Das klingt ja sehr spannend!«, sagte sie und lächelte, während sie sich mit der Hand durch das Haar fuhr. »Wann kann ich es sehen?« Einen Augenblick lang dachte sie daran, dass er sich ein neues Auto gekauft haben könnte. Aber dann fiel ihr ein, dass es sinnlos war, im Osten ein Auto zu kaufen, wenn man in Kalifornien lebte. Sie hörte in s einer Stimme diese Erregung, die si ch bei ihm gewöhnlich dann einstellte, wenn er von seinem Beruf sprach.
»Darf ich Sie in einer Stunde abholen?«, fragte Joe hastig. »Sind Sie dann fertig?«
»Natürlich.« Kate wusste nicht, ob ihre E ltern dann schon wach wären, doch sie würde eine Nachricht für sie hinterlassen. Ihre Mutter wusste bereits, dass sie mit Joe zum Essen
75
verabredet war.
»Ich hole Sie dann um neun ab«, sagte Joe. »Und … Kate … ziehen Sie sich warm an!«
Kate fragte sich, ob er wohl einen Spaziergang unternehmen wolle und versicherte ihm, dass sie einen warm en Mantel anziehen würde.
Eine Stunde später wartete sie in Dufflecoat, Mütze und Schal vor dem Ha us.
Joe kam in einem Ta xi. »Süß sehen Sie aus!«, sagte er lächelnd.
Kate trug Halbschuhe und dicke Wollsocken, einen Schottenrock mit einem Kaschmirpullover und darauf eine Perlenkette. So kleidete sie sich gewöhnlich auch am College. »Ist das auch warm genug? «, fragte Joe zweifelnd, doch Kate nickte nur und lachte. Plötzlich fragte sie sich, ob er sie vielleicht zu m Eislaufen ein laden wolle. Doch dann hörte sie, wie er dem Taxifahrer den Auftra g gab, sie in einen Vorort am Stadtrand zu bringen.
»Was gibt’s denn da draußen?«, fragte sie überrascht. »Das werden Sie schon sehen.«
Und plötzlich wusste Kate Bescheid. Sie war gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass er ihr sein Flugzeug zeigen wollte. Nun stellte sie keine weiteren Fragen, und sie setzten unbefangen plaudernd den Weg fort. Joe hatte die beiden vergangenen Tage mit Kate sehr genossen und sich überlegt, sie mit etwas ganz Besonderem zu überraschen. Kate wusste aus seinen Briefen, dass sein Flugzeug sein ganzer Stolz war. Er hatte es selbst entworfen, und Charles Lindbergh hatte ihm dabei geholfen, es zu bauen. Kate bedauerte, dass ihr Vater sie nicht begleitete. Selbst ihre Mutter konnte kaum etwas dagegen
Weitere Kostenlose Bücher