Danielle Steel
war es unvorstellbar, mit Andy teure Restaurants zu besuchen, während sie an Joes magere Rationen in England dachte. Das kam überh aupt nicht in Frage. Wenn Andy mit ihr zusammen sein wollte, hatte er keine W ahl: Sie aßen in der Cafeteria des Colleges.
Anders als Kate hatte Andy zahlreiche Kontakte. Er war groß, dunkelhaarig, attraktiv und dazu einer der wenigen Männer auf dem Campus, die nicht in den Krieg gezogen waren. Die Mädchen standen praktisch Schlange, um m it ihm auszugehen. Viele hätte er haben können, nur nicht die eine, die er b egehrte. Er interessierte sich ausschließlich für Kate.
Immer wieder besuchte er sie, und m it der Zeit entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen ihnen. Kate hatte Andy sehr gern, doch das war nicht vergleichbar mit den Gefühlen, die sie für Joe hegte. Andy war eher wie ein Bruder für sie. Mehrmals in der Woche spielten sie Tennis miteinander, und Ostern ging Kate schließlich doch mit ihm ins Ki no, obwohl sie sich deswegen schuldig f ühlte. Sie schauten sich Mrs. Miniver mit Greer Garson an, und Kate weinte während der gesamten
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Vorstellung.
Jede Woche erhielt sie mehrere Briefe von Joe, doch sie konnte nur vermuten, dass er mit der Royal Air Force Einsätze in den Spitfires flog. Er verlor kein Wort darüber. Solange seine Briefe eintrafen, wusste sie wenigstens, dass er am Leben war und es ihm gut ging. Die Angst, eines Tages in der Zeitung zu lesen, dass er abgeschossen worden war, begleitete sie ständig. Jeden Morgen, wenn sie die Zeitung aufschlug, zitterten ihre Hände. Sie wusste, dass man über einen eventuellen Abschuss wegen Joes Reputation und seiner Verbindungen zu Charles Lindbergh berichten würde. Aber momentan schien Joe wohlauf zu sein. Er hatte sich nur über die Kälte und das schlechte Essen in England beschwert. Im Mai schrieb er über den prächtigen Frühling, über die Blumen, die überall in den Gärten blühten. Nur über seine Gefühle sagte er nichts.
Eines Nachts Ende Mai bombardierte die Royal Air Force Köln. Joe erwähnte nichts davon, doch als Kate darüber in der Zeitung las, war sie sicher, dass er dabei gewesen war.
Im Juni m achte Andy seinen Abschluss in Harvard. Schon nach drei Jahren bestand er im Rahmen eines Sonderprogramms die Prüfungen und würde im Herb st bereits ein weiterführendes Jurastudium aufnehmen. Kate besuchte Andys Abschlussfeier. Sie selbst h atte jetzt ihr erstes Jahr am College hinter sich. Den Sommer über arbeitete sie für das Rote Kreuz. Sie war dam it betraut, Verbandsmaterial zu verpacken, Medikamente zusammenzustellen und warme Kleidung zu falten, die nach Übersee geschickt werden sollte. Der Job war nicht gerade aufregend, doch es war das Mindeste, was sie tun konnte. Selbst im kleinen Kreis ihrer Freunde hatten sich bereits Tragödien zugetragen. Zwei Mädchen aus ihrem Wohnheim hatten ihre Brüder verloren, als die Schiffe, auf denen diese stationiert gewesen waren, von den Deutschen torpediert wurden. Eine ihrer Zimmergenossinnen war nach Hause geruf en worden, weil sie ihren Vater im Fam ilienbetrieb unterstützen musste. Ein Teil
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der Mädchen hatte ihre Verlobten und eine Kommilitonin ihren Ehemann verloren. Allen fiel es schwer, immerzu in traurige Augen und besorgte Gesichter zu blicken und all das Unglück zu ertragen. Der Gedanke dara n, dass jederzeit ein Telegramm aus dem Kr iegsministerium eintre ffen könnte, erfüllte alle mit Furcht.
Andy hatte sich für den Sommer freiwillig zum Dienst in einem Militärkrank enhaus gemeldet. Er wollte unbedingt etwas Sinnvolles tun. Jedes Mal, wenn er Kate anrief, berichtete er von den verwundeten Männern, die er kennen gelernt hatte, und von ihren schrecklichen Erlebnissen. Er hätte es niem als zugegeben – außer vielleicht Kate gegenüber –, aber manchmal, wenn er den anderen zuhörte, war er froh darüber, dass er in Sicherheit war. Die meisten der verletzten Männer kamen aus Europa. Diejenigen, die im Pazifik verwundet wurden, kam en in die Krankenhäuser an der Westküste, damit sie sich dort erholten. Viele hatten ihre Gliedmaßen oder ihr Augenlicht verloren, andere hatten kein Gesicht mehr, weil sie auf Minen getreten oder von Granatsplittern getroffen worden waren. Andy erzählte auch von einer Station, auf der nur Männer lagen, die verrückt geworden waren. Allein der Gedanke daran war für Kate entsetzlich. Doch sie und Andy wussten, dass es im Laufe der Monate noch schlimmer werden würde.
Nachdem
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