Danielle Steel
davongelaufen. Er zog Kate an sich und küsste sie noch einmal. Dann wandte er sich zum Gehen. Er d urfte das Flugzeug nicht verpassen. Mit größter Selbstbeherrschung löste er sich von ihr und ging auf das Flugzeug zu. An der Absperrung hielt er n och einmal inne und blickte zurück. Kate sah ihm nach, Tränen liefen über ihr Gesicht. Joe wollte sich schon wi eder umdrehen, besann sich dann jedoch anders.
Für einen letzten Augenblick schaute er sie an, und bevor es zu spät war, rief er: »Ich liebe dich, Kate!«
Kate hörte seine Worte, sah ihn, wie er ihr zuwinkte, und lachte unter Tränen. Dann war er hinter der Absperrung verschwunden.
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I
n jenem Jahr wurde es für alle ein trostloses W eihnachtsfest.
Zweieinhalb W ochen nach dem Angriff auf Pearl Harbo r hatte sich die Welt immer noch nicht von dem Schock erholt. Die amerikanischen jungen Männer waren auf dem Weg in den Krieg nach Europa und Asien. Orte, von denen niemand je zuvor gehört hatte, waren plötzlich in aller Munde, und für Kate war es nur ein schwacher Trost, dass Joe sich in En gland aufhielt. Aus dem einzigen Brief, den sie bisher von ih m erhalten hatte, wusste sie immerhin, dass er ein einigermaßen geordnetes Leben führte.
Joe war in Swinderby stationiert und konnte Kate nur so viel berichten, wie die Zensur gestattete. Im größten Teil seines Briefes brachte er seine Sorge um Kate zum Ausdruck. Außerdem e rzählte er von den Menschen, denen er begegnete. Er beschrieb die Landschaft und berichtete von der Freundlichkeit, die die Engländer ihren Verbündeten entgegenbrachten. Joe beschrieb mit keiner Silbe seine Gefühle. Er hatte einmal gesagt, was er empfand, und fühlte sich unbehaglich bei dem Ge danken, es ihr zu schreiben.
Für Kates Eltern gab es kein erlei Zweifel mehr daran, dass ihre Tochter Joe liebte. Den einzigen Trost fanden sie in dem sicheren Eindruck, dass er Ka tes Gefühle erwiderte. Nur wenn sie allein waren, sprach Elizab eth mit Clarke offen über ihre wachsende Besorgnis. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, wie Kate reagieren würde, wenn Joe etwas zustieße. Einen Mann wie ihn würde keine Frau vergessen können.
»Wenn ihm wirklich etwas geschieht, wird sie drüber hinwegkommen, Liz. So etwas haben auch schon andere Frauen erlebt. Ich hoffe nur, dass es dazu gar nicht erst komm t«, sagte Clarke leise.
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Doch Elizabeth war nicht nur wegen Joes Ein satz im Krieg beunruhigt. Er strahlte irgendetwas aus, das ihr keine Ruhe ließ. Sie hatte es schon gespürt, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, aber sie fand nicht die richtigen Worte, um es Clarke zu erklären. Sie hatte den Eindruck, dass Joe unfähig war, sich einem anderen Menschen zu öffnen, ihn wirklich zu lieben und ihm alles zu geben. Se ine Leidenschaft für die Flugzeuge, die er entwickelte und dann selbst flog, schien sein Weg zu sein, dem Leben zu entfliehen. Elizabeth bezweifelte, dass er K ate glücklich machen würde – selbst wenn er unversehrt aus dem Krieg zurückkehrte.
Gleichwohl bemerkte sie das unsichtbare Band, das zwischen diesem Mann und ihrer Tochter geknüpft worden war, die Faszination, die die beiden zuei nander hinzog. Dabei waren sie vollkommen verschieden. Elizabeth hatte das sichere Gefühl, dass sie sich gegenseitig in Gefahr bringen könnten. Sie hatte große Angst um Kate.
Der Tag kam, an dem eigentlic h die Party hatte stattfinden sollen. Kate bedauerte keine Minute, dass sie abgesagt worden war. Sie wäre ohnehin nicht mit dem Herzen bei der Sache gewesen. Sie hätte sich nur darauf eingelassen, um ihren Eltern eine Freude zu m achen.
Eines Abends las sie gerade in einem Buch, als Andy Scott anrief. Beinahe alle jungen Männer, die Kate kannte, waren bereits zum Militärdienst eingezogen worden. Andy hatte ihr einige Wochen zuvor erzählt, dass er seit seiner Kindheit an einem Herzklappenfehler litt. Er fühlte sich davon in keiner Weise beeinträchtigt, war jedoch deshalb für die Armee untauglich. Das ärgerte ihn enorm, und er hatte alles Mögliche versucht, trotzdem in die Ar mee aufgenommen zu werden. Doch es war hoffnungslos. Jetzt dachte er daran, irgendein Abzeichen oder ein Schild zu tragen, das den Menschen erklärte, warum er keine Uniform trug und noch imm er zu Hause war. Unter den vielen Frauen fühlte er sich wie ein Verräter. Als er Kate anrief,
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war er immer noch sehr aufgebracht, und die beiden unterhielten sich eine Weile über dieses Thema. Andy wollte Kate zum Dinner
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