Danielle Steel
kam ihr vor wie ein Geschenk des Himmels. Kate wünschte sich nichts sehnlicher, als Joe anzuschauen und ihn im Ar m zu halten. Er seinerseits hatte sich nicht einen Zentimeter von ihr entfernt, seit er sie überrascht hatte. Er wollte ihr so na h sein wie irgend möglich.
»Wie ist denn die Lage da drüben, Junge?«, fragte Clarke mit ernster Stimme.
Kate riss sich schweren Herzens los und machte sich auf die Suche nach ihrer Mu tter, die von Joes Rückkehr noch nichts wusste.
»Die Briten haben eine schwere Zeit«, sagte Joe ehrlich. » Es ist schrecklich.«
Während der letzten beiden Monate waren die Ereignisse tatsächlich entmutigend gewesen. Die Deutschen hatten Sebastopol eingenommen und dann Stalingrad angegriffen. In Nordafrika war die Lage für die Engländer auch nicht gerade rosig. Und in Neuguinea waren die Australier in eine erbitterte Schlacht gegen die Japaner verwickelt.
»Ich freue mich so, dass es Ihnen gut geht, Junge«, sagte Clarke. Er hatte das Gefühl, dass Joe bereits zur Fam ilie gehörte, obwohl der junge Mann selbst in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend war. Auch Elizabeth, die gerade mit Kate im Schlepptau herbeikam, schien nachgiebiger geworden zu sein. Sie gab Joe einen Kuss, umarmte ihn und erklärte, wie sehr sie sich darüber freue, dass er gesund und munter sei. Ihre Worte waren ehrlich gemeint.
»Sie sind schmaler geworden, Joe«, stellte Elizabeth mit besorgter Miene fest.
Tatsächlich hatte er deutlich an Gewicht verloren. Er ar beitete schließlich viele Stunden am Ta g hart und aß sehr wenig. Die Rationen waren nicht gerade üppig, wie Kate Joes Briefen
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entnommen hatte.
»Geht es Ihnen wirklich gut?«, fragte Elizabeth und blickte ihn aufmerksam an.
Joe nickte. »Jetzt, da ich für zwei Wochen hier sein kann, geht’s mir gut. Morgen muss ich für zwei Tage nach Washington, aber am Donnersta g bin ich zurück. Dann bleiben mir noch zehn Tage. Ich wollte eigentlich nach Boston.« Kate strahlte.
»Eine großartige Idee«, m ischte sich Clarke h astig ein un d warf seiner Frau einen Blick zu.
Aber auch Elizabeth konnte dem puren Glück in den Augen ihrer Tochter nicht widerstehen. »Quartieren Sie sich doch einfach bei uns ein!«, schlug sie vor.
Kate war den Tränen nahe und unendlich glücklich. Sie fiel ihrer Mutter um den Hals. Elizabe th wusste, dass es keinen Sinn mehr hatte, gegen die Liebe zwischen den beiden anzukämpfen. Wenn Joe jemals etwas zustieß, wollte sie sich auf keinen Fall vorwerfen lassen müssen, sie habe ihn von Kate fern gehalten. Bald würde Elizabeth mit ihrer Tochter sprechen. Es wurde Zeit, das spürte sie, als sie die beiden zusamm en sah. Joe war einunddreißig Jahre alt, er war ein Mann mit Bedürfnissen und Sehnsüchten, die Kate sicher nicht einmal ahnte. Doch solan ge die beiden sich ordentlich benahmen, war Elizabeth bereit, Joe unter ihrem Dach zu beherbergen.
Der Rest des Abends verging wie im Flug. Lange nach Mitternacht brach Joe auf, um rechtzeitig am nächsten Morgen in Washington zu sein. Er fuhr m it dem Auto nach Boston und nahm dann einen Zug nach W ashington. Zum Abschied küsste er Kate lange und leidenschaftlich und versprach, sie drei Tage später in Boston zu besuchen. Kate hatte sich zunächs t n icht damit abfinden wollen, zum College zurückzukehren, während Joe da war, doch ihre Eltern bestanden darauf, dass sie trotzdem den Unterricht besuchte. Kate blieb keine Wahl: Die Zeit, die sie
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mit Joe verbringen konnte, musste sie so gut wie möglich nutzen. Ihre Eltern hatten ihr immerhin erlaubt, dass Joe sie jeden Tag besuchte.
»Ich werde sie selbst hinbringen und mich davon überzeugen, dass sie dort bleibt«, versprach Joe, und plötzlich hatte Kate das Gefühl, dass sie nicht nur einen, sondern zwei Väter hatte. Joe hatte sich ihr gegenüber von Anfang an fürsorglich verhalten, und gerade dies war einer der zahllosen Gründe, weshalb sie es so sehr genoss, bei ihm zu sein.
Als Joe sich an jenem Abend von Kate verabschiedete, hielt er sie lange fest und sprach von seiner Sehnsucht und seiner Liebe zu i hr. E r h atte s ie s o s ehr v ermisst. Kate hing an seinen Lippen. Wie lange hatte sie auf diese Worte gewartet!
»Ich liebe dich auch, Joe. Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!« Wie sehr, das würde sie niemals beschreiben können. »Wir werden es überstehen, Liebling. Das verspreche ich dir. Und wenn alles vorbei ist, werden wir eine wunderschöne Zeit miteinander haben.«
Auf
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