Danielle Steel
weitergehen sollte. Um Ost ern herum würde sie ihren Zustand nicht mehr verbergen können, und dann würde sie das College verlassen müssen. Gern hätte sie bis Juni gewartet, um das zweite Studienjahr zu beenden. Dann hätte s ie – unmittelbar nach der Geburt des Kindes – im Herbst wieder anfangen können. Doch im Juni, wenn die Ferien begannen, würde sie schon im sechsten Monat se in, und es gab wohl keine Möglichkeit, die Schwangerschaft so lange zu verheimlichen. Früher oder später musste sie den Tatsachen ins Auge blicken. Erstaunlich war nur, dass ihre Mutter bisher nichts zu bemerken schien. Doch wenn sie es erf uhr, würde es für Kate bitter werden. Ihre Eltern würden Joe kaum verzeihen können. Joe hatte von all dem keine Ahnung, obwohl Kate ihm jeden Tag schrieb. Sie rang mit sich, doch sie wollte ihn nicht von seinen Aufgaben ablenken. Er brauchte schließlich seine ganze Kraft, um seine Einsätze zu f liegen. Sie stand also vollkommen allein da, erbrach sich jeden Morgen und schleppte sich danach in den Hörsaal. Auch ihren Mitbewohnerinnen fiel auf, dass
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Kate beinahe die ganze Zeit über schlief, und die Hausmutter erkundigte sich, ob sie einen Arzt komm en lassen solle. Kate beharrte darauf, dass sie sich wohl fühle und einfach nur zu viel Zeit über den Büchern verbrin ge. Doch ihre Noten wurden schlechter, was auch den Professoren nicht entging. Kates Leben verwandelte sich unaufhaltsam in einen Albtraum. Vor der Reaktion ihrer Eltern, wenn sie ihnen mitteilen würde, dass sie im Septe mber ein uneheliches Kind bekäme, hatte sie furchtbare Angst. Sie fürchtete, dass ihr Vater versuchen würde, Joe dazu zu zwingen, sie zu heiraten, wenn er zurückk ehrte. Doch das würde sie nicht zulassen. Joe war ein freiheitsliebender Mann, und er hatte keinerlei Zweifel daran gelassen, dass er keine Kinder haben wollte. Vielleicht würde sich das eines Tages ändern, vielleicht würde er das Kind sogar lieben. Aber Kate wollte ihn nicht bedrängen.
Inmitten all ihrer Sorgen war Kate sich nur eine r Sache sicher: Sie liebte Joe, und sie freute sich auf sein Kind. Es war ihr Geheimnis. Niemandem hatte sie bislang davon erzählt, und daran würde sich zumindest in nächster Zukunft auch nichts ändern.
»Also, was ist los mit dir?«, fragte Andy eines Nachmittags. Er war ins College gekommen, um Kate zu besuchen. In seinem ersten Jahr an der juristischen Faku ltät hatte er ausgesprochen viel zu tun und ertrank geradezu in Arbeit.
Gemeinsam schlenderten sie üb er den Campus. Andy sah wie immer sehr gut aus und zog die Aufmerksamkeit aller Mädchen auf sich, die vorübergingen. Er war in Radcliffe der Hahn im Korb.
»Du wirst mit Aufmerksamkeit ganz schön verwöhnt!«, scherzte Kate.
Andy grinste. Er hatte ein einnehmendes Lächeln, und seine großen dunklen Augen waren voller Wärme. »Himmel, irgendjemand muss sich ja anstelle unserer Jungs in Uniform um
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all diese Mädels kümmern. Es ist ziemlich anstrengend, aber was bleibt mir übrig?« Inzwischen war er froh darüber, dass er hatte zu Hause bleiben können, und ärgerte sich kaum noch darüber, dass die Armee ihn als untauglich ausgemustert hatte. Er hatte so oft darüber gesprochen, dass er d ie Angelegenheit inzwischen verarbeitet hatte.
»Du bist abscheulich, Andy Scott!«, stellte Kate fest. Sie war wirklich gern m it ihm zusamm en. In den vergangenen beiden Jahren war er ein guter Freund für sie geworden.
Im Sommer würde er wieder im Krankenhaus arbeiten. Kate hatte sich bisher noch nicht um eine Arbeit für den Somm er gekümmert, denn sie wusste, dass man ihr dann die Schwangerschaft ansehen und sowieso niemand eine unverheiratete Mutter einstellen würde. Sie dachte daran, in dem Haus auf Cape Cod zu bleiben, bis das Kind geboren war. In einigen W ochen wollte sie in Radc liffe Bescheid geben, dass sie ab Ostern eine Auszeit nehm en würde. Das bedeutete, dass sie nicht mit den anderen die Prüfungen zum Abschluss des Jahres ablegen ko nnte. Doch m it etwas Glück wü rde sie nur ein Semester verlieren. Den Grund für das Urlaubssemester würde sie allerdings nennen müssen. Doch sie war nicht die erste Frau, der so etwas widerfuhr, und sie hatte ihren Frieden mit der Situation geschlossen. Sie fragte sich, was Joe wohl von all de m halten würde. Irgendwann musste er es ja erfahren. Kate wollte ihm aber nicht aus der Ferne davon erzählen, selbst wenn das bedeutete, dass sie das Kind ohne sein Wissen bekommen
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