Danielle Steel
»Sie sitzt mit der Hälf te der Frauen in diesem Land im selbe n Boot. Sie wird darüber hinwegkommen müssen, wenn etwas geschieht. Sie ist jung und wird sich davon erholen«, stellte Clarke sachlich fest.
»Ich hoffe inständig, dass ihr das erspart bleibt«, gab Eliz abeth hitzig zurück.
Am nächsten Morgen war Kate in düsterer Stimm ung. Zu Weihnachten bekam sie von ihre r Mutter eine wunderschöne Halskette mit Saphiren und dazu passende Ohrringe geschenkt, und ihr Vater sprach davon, ein zwei Jahre altes Auto, das er irgendwo entdeckt hatte, für sie zu kaufen, wenn sie sich etwas sicherer fühlte. Das Benzin wurde schon lange rationiert, und deshalb hatte Kate kaum Gelege nheit zu üben. Elizabeth hielt das Ganze nicht für eine so gute Idee.
Kate hatte für ihre Eltern ebenfalls sehr schöne Geschenke besorgt, doch sie konnte sich nicht auf die Bescherung konzentrieren. Sie dachte immerzu an Joe. So saß sie auch b eim Dinner reglos am Tisch und brachte kaum ein Wort heraus. Nun war er bereits in England und flog die ersten Einsätze, das wusste sie.
Auch in den nächsten Wochen hellte sich Kates Stimmung nicht auf. Elizabeth begann sich ernsthaft Sorgen zu machen und dachte sogar daran, einen Arzt zu konsultieren. Kate sah müde und blass aus, wann immer sie übers Wochenende zu einem Besuch nach Hause kam. Sie schien keine rlei Kontakt mehr zu anderen zu haben. Andy rief einige Male an und be schwerte sich darüber, dass er sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen habe. Doch Kate schlief viel und las Joes Briefe immer und immer
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wieder. Auch er schien deprimiert zu sein. Es war bitter für ihn gewesen, nach England zurückkehren zu müssen, und nun war auch noch das Wetter einfach abscheulich. Mehrere Einsätze mussten immer wieder aufgeschoben werden, und die Männer waren unruhig und langweilten sich.
Am Valentinstag brach Elizabeth in Panik aus. Am Tag zuvor war Kate zum Sonntagsdinner na ch Hause gekommen. Sie aß kaum etwas, sah entsetzlich aus, und jedes Mal, wenn die R ede auf Joe kam, begann sie zu weinen. Elizabeth beschloss, mit ihrer Tochter zum Arzt zu gehen.
»Sie ist einfach einsam«, gab Clarke abwehrend zurück. »Um diese Jahreszeit ist es kalt und dunkel, und sie arbeitet viel fürs College. Es wird sich alles finden, Liz. Gib ihr etwas Zeit. Vielleicht kommt er ja schon bald wieder.«
Doch im Februar 1943 war Joe beschäftigter als jem als zuvor. Er nahm auch an dem nächtlichen Angriff auf W ilhelmshaven teil. Er flog meist tagsüber, aber nun wurde er auch für den Nachteinsatz über Nürnberg eingeteilt.
Ende Februar überkam Kate die nackte Angst. Mittlerweile war es acht Wochen her, dass sie Joe zuletzt gesehen hatte, und was sie zuerst nur vermutet hatte, war nun sicher: Sie war schwanger. Die Nacht in W ashington war also nicht ohne Folgen geblieben. Kate hatte keine Ahnung, was sie nun tun sollte. Ihren Eltern wollte sie jedenfalls nichts von ihrer Entdeckung erzählen. Eines der Mädchen im College hatte ihr die Adresse eines Arztes in Mattapan gegeben. Offenbar war sie mit ihm befreundet, doch Ka te konnte sich nicht dazu entschließen, ihn anzu rufen. Sie wusste, dass sie ihre Zukunft ruinieren würde, wenn sie nun ein Kind bekam. Sie würde das College verlassen müssen, es würde einen großen Skandal geben, und selbst wenn sie wollte, hätte sie Joe nicht heiraten können. Erst vor kurzem hatte er ihr erklärt, dass keinerlei Hoffnung bestünde, in nächster Zeit einen Heimflug zu ergattern. Kate hatte ihm nicht erzählt, warum sie überhaupt
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danach gefragt hatte. Stattdessen beteuerte sie, wie sehr sie ihn vermisse. Niemals hätte sie ihn dazu gedrängt, sie zu heiraten! Sie wollte ihn nicht einmal darum bitten. Doch wenn sie das Kind abtreiben ließ und Joe etwas geschah, würde sie sich niemals verzeihen. Verheiratet oder nicht, sie wollte das Kind behalten.
Ohne wirklich eine Entscheidung zu treffen, ließ Kate einfach die Zeit verstreichen. Irgendwann wusste sie, dass es nun zu spät war, die Schwangerschaft zu beenden. Sie hatte bisher verdrängt, was sie ihren Eltern sagen und wie sie am College ihre Schwangerschaft erklären sollte.
Eines Abends kam Andy in der Mensa vorbei und fragte Kate, ob sie sich eine Grippe eingefangen habe. In Harvard waren alle krank gewesen, und auch Kate sah sehr schlecht aus.
Tatsächlich war ihr se it Anfang Januar dauernd übel gewesen, und nun stand bereits der März vor der Tür. Kate überlegte sich, wie es
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