Danielle Steel
Zug her, solange er konnte. Irgendwann blieb er stehen und winkte ihr zu. Kate winkte zurück, und Tränen strömten über ihre Wangen. Ein Leben ohne Joe konnte sie sich nicht mehr vorstellen, und sie war davon überzeugt, dass sie sterben würde, wenn ihm etwas zustieß. Nicht eine Stunde wollte sie mehr ohne ihn leben! Wieder erinnerte sie sich an den Schmerz, den sie empfunden hatte, als sie ihren Vater verlor. Joe hatte eine Liebe in ihr geweck t, die sie bis dahin nicht gekannt hatte. Dass sie ihn nun verlassen musste, brachte die Qual des Verlustes wieder zurück, den sie so lange Zeit verdrängt hatte.
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Kate saß regungslos und mit geschlossenen Augen auf ihrem Platz. Es war Heiligabend, und bevor sie zu Hause eintraf, würde Joe schon im Flugzeug nach England sitzen. Sie kam erst am späten Abend in Boston an, wo ihre Eltern sie sicher liebevoll empfangen würden.
Als sie schließlich aus dem Zug stieg und sich ein Taxi heranwinkte, schnürte die Trauer ihr die Kehle zu. Joe hatte sie nicht gefragt, ob sie seine Frau werden wolle, doch das hatte sie auch nicht erwartet. Sie fühlte, dass sie nun untrennbar miteinander verbunden waren.
Clarke und Elizabeth warteten im Wohnzimmer auf ihre Tochter. Voller Sorge blickte Elizabeth in Kates Gesicht. E twas Schreckliches schien geschehen zu sein!
Kates Sehnsucht nach Joe stand ihr ins Gesicht geschrieben. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, Monate oder Jahre warten zu müssen, bis sie ihn wieder sah, oder noch schlimmer, dass ihm etwas passierte. Alles hatte sich für Kate verändert. »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Elizabeth bestürzt. Kate sah furchtbar aus.
Kate schüttelte den Kopf, und im selben Augenblick wurde ihr klar, dass sie ihre Freiheit verloren hatte. Sie war nicht mehr das Mädchen, das sich verliebt hatte. Sie war nun ein Teil von Joe. »Nein«, gab sie mit zaghafter Stimme zurück, doch sie konnte ihre Eltern nicht überzeugen.
»Bist du sicher? Habt ihr euch gestritten? « So etwas geschah schließlich, besonders in solch angespannten Situationen. »Nein, Joe war einfach wundervoll!«
Mit diesen Worten brach Kate in Tränen aus, warf sich in die Arme ihrer Mutter und weinte bitterlich.
Clarke beobachtete die beiden Frauen voller Sorge.
»Was soll nur werden, wenn ihm etwas passiert, Mom? Was ist, wenn er nicht mehr zurückkommt?«
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All ihre Leidenschaft, Furcht und Sehnsucht brachen sich plötzlich Bahn. Kates Leben war aus den Fugen geraten. Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, erneut einen Menschen zu verlieren, den sie liebte. Sie fühlte sich wieder wie das kleine Mädchen, das sie einst gewesen war.
»Wir müssen beten, dass er zurückkommt, Schatz. Mehr können wir nicht tun. Wenn es seine Bestimmung ist, wird er zurückkehren. Du musst jetzt tapfer sein.« Elizabeth sprach liebevoll und warf ihrem Mann über Kates Schulter hinweg einen traurigen Blick zu.
»Ich will aber nicht tapfer sein!«, schluchzte Kate. »Ich will, dass er nach Hause komm t! Ich will, dass der Kr ieg vorbei ist!« Trotzig brachen diese Worte aus ihr hervor. Es war schrecklich, aber einem Großteil der Menschen erging es in diesen Zeiten nicht anders. Kate war nicht allein m it ihrem Schmerz. Tatsächlich hatte sie sogar mehr Glück als die meisten anderen. Viele Frauen hatten die Männer, die sie liebten, bereits verloren. Joe aber lebte noch.
Schließlich setzte sich Kate neben ihre Eltern auf das Sofa und rang um Fas sung. Elizabeth reichte ihr ein Taschentuch, Clarke legte ihr einen Arm um die Schulte rn. Beide litten m it ihrer Tochter.
Elizabeth brachte Kate schließ lich ins Bett. Anschließen d schloss sie mit einem Seufzer die Tür zu ihrem eigenen Schlafzimmer und setzte sich an den Toilettentisch.
»Genau das wollte ich verhindern «, sagte sie traur ig. »Ich wollte nicht, dass sie sic h derm aßen verliebt. Aber jetzt ist es zu spät. Sie sind nicht einmal verl obt, geschweige denn verheiratet. Er hat ihr nichts versprochen. Gar nichts! Aber anscheinend lieben sie sich.«
»Das ist doch schon eine ganze Menge, Liz. Vielleicht reicht das für den Moment. Eine Heirat könnte ihn auch nicht vor de m Tod bewahren. Es liegt alles in Gottes Hand.«
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»Wenn ihm jetzt etwas zustöß t, wird sie nie da rüber hinwegkommen, Clarke.«
Elizabeth verlor ihrem Mann gegenüber kein W ort darüber, doch Kates Traurigkeit hatte sie daran erinnert, wie verloren ihre Tochter damals nach dem Tod ihres Vaters gewesen war.
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