Danielle Steel
wickelte den Fötus in ein Handtuch. Kate war viel zu schwach, um verzweifelt zu sein . Als sie versuchte, sich aufzurichten, wurde sie beinahe ohnmächtig. Diana musste ihr helfen, sich wieder hinzulegen.
Es war schon fast sieben Uhr, als es Diana endlich gelan g, Kate ins Bett zu bringen. Drei Stunden hatten die Mädchen in dem Badezimmer verbracht. Nachdem Diana Kate sicher im Bett wusste, rannte sie h inunter zu den Mülltonnen und warf den Fötus hinein. Niemand sollte wissen, was geschehen war. Kate hatte noch immer Schmerzen, doch sie waren erträglicher geworden. Diana erklärte ihr, dass die Gebärmutter sich nun zusammenzöge, wodurch die Blutung schwächer werden müsste. Wenn Kate nun nicht mehr allzu viel Blut verlor, würde
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sie sich gewiss rasch erholen. Diana hatte Kate bereits gesagt, dass sie sofort einen Rettungswagen rufen würde, wenn sich ihr Zustand verschlechterte, gleichgültig, wie sehr Kate sich dagegen wehre. Und Kate hatte sich damit einverstanden erklärt. Sie stand unter Schock und war viel zu schwach, um sich zu streiten. Sie zitterte heftig, und Diana brachte ihr noch drei weitere Decken.
Gegen Morgen wachten die anderen Mädchen auf und starrten zu den beiden Zimmergenossinnen hinüber.
»Geht’s dir nicht gut?«, fragte eine. »Du siehst so blass aus, Kate. Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung von dem Sturz vom Fahrrad.« Sie gähnte und m achte sich auf den Weg zum Badezimmer.
Kate erwiderte, dass sie heftige Kopfschmerzen habe. Man konnte erkennen, dass sie am ganzen Körper bebte.
Diana ließ sie nicht aus den Augen. Ein Mädchen aus einem anderen Zimmer kam herein und sa h sehr besorgt aus, als sie Kates blutleere Lippen und ihr kalkweißes Gesicht erblickte. »Was ist denn passiert?«, fragte sie und tastete nach Kates Puls.
»Sie ist vom Fahrrad gefallen und hat sich am Kopf verletzt«, log Diana.
Doch die andere wusste Bescheid. Sie stammte aus New York und wie Diana aus einer Arztfamilie. Sie erkannte sofort, dass Kate nicht nur eine Gehirnerschütterung hatte. Sie war so grau im Gesicht wie jemand, der eine Menge Blut verloren hatte, und wahrscheinlich stand sie unter Schock.
Die Kommilitonin beugte sich zu Kate hinunter und berührte sie vorsichtig an der Schulter. »Kate … sag mir die Wahrheit … blutest du?«
Kate nickte. Ihre Zähne schlugen so heftig aufeinander, dass sie kein Wort hervorbrachte.
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»Ich glaube, du hast einen Schock. War’s eine Abtreibung?« Kate hatte Beverly immer gemocht und war bereit, sich ihr anzuvertrauen. Sie spürte, dass sie in ernsten Schwierigkeiten war. Sie fühlte sich benommen und zitterte trotz der vielen Decken am ganzen Körper.
Die beiden Mädchen standen unschlüssig neben ihrem Bett. »Nein …«, flüsterte Kate. »Ich habe das Kind verloren.« »Blutest du noch?« Beverly hatte Angst, selbst nachzuschauen.
»Ich glaube nicht.«
»Den Unterricht lasse ich heute ausfallen. Ich bleibe hier. Du darfst auf keinen Fall alle in bleiben. Willst du in ein Krankenhaus?«
Kate schüttelte den Kopf. Das wollte sie unter keinen Umständen.
»Ich bleibe auch hier«, sagte Diana und machte sich auf, um für Kate eine Tasse Tee zu holen.
Eine halbe Stunde später saßen die anderen Mädchen bereits in den Hörsälen. Diana und Beverly wachten an Kates Bett. Kate war hellwach und schluchzte ununterbrochen. Die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten sie sehr mitgenommen.
»Du wirst bald wieder auf dem Damm sein, Kate«, versicherte Beverly. »Versuch einfach, ein bisschen zu schlafen. In ein oder zwei Tagen wirst du dich schon besser fühlen. Du wirst überrascht sein, wie schnell das geht.« Sie hielt plötzlich inne. »Möchtest du vielleicht jemanden anrufen?« Ganz offensichtlich hatte eine zweite Person zu dies er Situation be igetragen, die ja noch gar nichts davon wusste.
Doch Kate schüttelte den Kopf. »Er ist in England«, flüsterte sie durch die Zähne, die erneut h eftig aufeinander schlugen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so schlecht gefühlt. Der Blutverlust hatte all ihre Körperfunktionen durcheinander
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gebracht.
»Wusste er denn, dass du schwanger bist?«, fragte Diana und strich Kate beruhigend über die Schulter.
Kate schaute sie dankbar an. Ohne Diana hätte sie das alles nicht überstanden. Niemand anderes würde von ihrer Schwangerschaft erfahren, weder in Radcliffe noch zu Hause. Und Joe ebenfalls nicht. »Ich habe ihm noch nichts gesagt. Ich wollte das Kind
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