Danielle Steel
Brief hatte er beigelegt. Clarke und Elizabeth merkten, wie sehr ihre Tochter litt, doch s ie hielten sich zurück. Elizabeth ahnte ohnehin, was geschehen war.
Drei Monate verbrachte Kate in Boston, unternahm lange Spaziergänge und weinte stundenlang. An Weihnachten war es am schlimmsten. Ununterbrochen spielte sie mit dem Gedanken, Joe anzurufen. Sie sehnte sich so sehr danach, endlich wieder seine Stimme zu hören. Aber sie war sich im Klaren darüber, dass sie nicht bloß seine Geliebte sein wollte. Auf die Dauer hätte sie sich in dieser Rolle nicht wohl gefühlt. Nach Weihnachten fuhr sie für einige Tage zum Skilaufen, feierte aber Silvester mit ihren Eltern. Zwischen ihr und Joe gab es weiterhin keinerlei Kontakt.
Kate hatte das Gefühl, als sei ein Teil von ihr abgestorben. Eine Zukunft ohne Joe konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen, doch sie musste sich an den Gedanken gewöhnen. Sie hatte ihren Standpunkt vertreten, und nun würde sie mit den
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Folgen leben und das Beste daraus m achen müssen. Eine andere Wahl hatte sie nicht.
Hin und wieder traf sich Kate m it alten Freunden, doch sie stellte fest, dass sie kaum noch Gem einsamkeiten mit ihnen hatte. Zu viele Jahre waren ins Land gegangen, in denen sich alles in ihrem Leben um Joe gedr eht hatte. Sie wusste zunächst nicht, was sie tun sollte, doch im Januar entschied sie sich, nach New York zu ziehen und eine Assistentinnenstelle in der Ägyptischen Abteilung des Metropolitan Museum anzunehmen. Dort konnte sie immerhin die Kenntnisse, die sie während ihres Kunststudiums in Radcliffe erworben hatte, nutzen. Dabei hatte sie mittlerweile den Eindruck, weit mehr von Flugzeugen zu verstehen als von Kunst. Am Anfa ng war sie nicht mit dem Herzen bei der Sache, doch bald s tellte sie zu ihrer eigen en Überraschung fest, dass sie viel mehr Freude an der Arbeit fand, als sie jemals erwartet hätte. Im Februar m ietete sie sich eine eigene Wohnung, und nun galt es nur noch, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Dieses Vorhaben erschien ihr jedoch kaum zu bewältigen. Das Leben ohne Joe kam ihr noch imm er leer und sinnlos vor, Tag und Nacht vermisste sie ihn. Selbst während der Arbeit dachte sie ununterbrochen an ihn. Die Zeitungen berichteten immer wieder über seine neuesten Errungenschaften. Sieben Jahre zuvor hatten seine Flugrekorde Aufsehen erregt, nun sprach die ganze Welt von den fantastischen Flugzeugen, die er entwickelte. W enn er nicht gerade an deren Konstruktion arbeitete, war er in der Luft. Kate las im Juni, dass Joe einen Preis bei einer Flugschau in Paris gewonnen hatte. Trotz des eigenen Elends und ihrer Einsamkeit freute sie sich für ihn. Sie war mittlerweile fünfundzwanzig Jahre alt und viel schöner, als sie selbst ahnte, doch ihr Leben war langweiliger als das ihre r Mutter.
Kate ging kaum aus, und wenn sich jem and mit ihr verabreden wollte, schützte sie zu viel Arbeit vor. Ihr Zustand erinnerte sie an die Zeit, als Joe verschollen gewesen war. Sie weinte
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unablässig und vermisste ihn schmerzlich. In den Sommerferien fuhr sie nicht einmal nach Cape Cod, da sie diesen Ort immer mit Joe in Verbindung bringen würde. Ohnehin erinnerte sie alles an ihn, selbst die alltäglichsten Dinge. Sogar der Besuch in einem Restaurant, den sie zu ihrer Z erstreuung unternahm, ließ sie sofort an Joe denken. Es war absurd, das wusste sie, aber Joe war ein Teil von ihr geworden. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu bemühen, ihn zu vergessen. Sie versuchte sich einzureden, dass sie es schaffen würde, doch gleichzeitig zweifelte sie daran, dass es ihr jemals gelingen konnte. Jeden Morgen erwachte sie mit dem Ge fühl eines großen Verlustes, und dann fiel es ihr ein: Sie hatte sich selbst verloren.
Kate lebte bereits seit einem Jahr in New York, als sie eines Tages ein Lebensmittelgeschäft betrat, um Hundefutter zu kaufen. Vor kurzem erst hatte sie einen W elpen bekommen, der ihr Gesellschaft leisten sollte. Zun ächst hatte sie sich selbst darüber amüsiert. Vielleicht war es doch ein wenig übertrieben? Sie stand gerade vor dem Rega l mit dem Hundef utter, als sie aufschaute und Andy erblickte. Seit m ehr als drei Jahren hatte sie ihn nicht mehr gesehen. In seinem dunklen Anzug und de m Burberry sah er sehr seriös aus. Off enbar wollte er nach Büroschluss noch schn ell einige L ebensmittel besorgen. Kate vermutete sofort, dass er verheiratet war, doc h sicher war sie natürlich nicht.
»Wie geht es dir, Kate?«,
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