Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
einem entfleuchen, wenn man sich mit dem, was man da kommentieren will, überhaupt nicht auskennt.
Frau Jentsch wäre nicht meine Lieblings-Jentsch gewesen, wenn sie nicht sofort bemerkt hätte, dass sie im Begriff war, den korrekten Fortbestand der elterlichen Beziehungen aufs Äußerste zu strapazieren.
Noch in das sich in Zeitlupe immer blöder entwickelnde Gesicht der Kontrahentin stoppte sie ab: »Ach, Verzeihung, Frau Jakobs! Vergessen Sie, was ich gerade gesagt habe. Ich bin in Fragen der beruflichen Sicherheit schnell angreifbar, deswegen mein Geholze gerade. Das war nicht persönlich gemeint. Alleinerziehend oder Hausfrau – ist doch eh Scheiße nach Geschmack sortiert, oder?«
Zu Beginn dieser Wortmeldung hätte Felix’ Mutter vielleicht noch Frau Jakobs’ Freundin werden können, aber diese Aussicht hatte sie zum Ende des Beitrags mit dem Hintern wieder umgerissen.
Na ja, ich sag es mal so: alle Beteiligten hatten sich redlich bemüht, die Sache mit dem Ritalin war schlussendlich aus der Welt geschafft, zu mehr hatten die Bemühungen doch auch gar nicht dienen sollen, und so konnte man nun getrost wieder auseinandergehen.
Kinder stören sich ja nicht weiter daran, ob ihre Eltern andere Eltern mögen oder nicht, insofern gab es für Luise und Felix keinen größeren Schaden zu beklagen.
Jetzt mal zu etwas ganz anderem. Das brannte mir schon länger unter den Krallen:
Im Nachbargarten wohnte ein Kater.
Genauer gesagt, im Garten neben dem von Pollys Familie. Dort lebten die Kerstings, ein kinderloses Ehepaar um die fünfzig, und die hatten eben diesen Kater. Insgesamt waren es elf Katzen, die in nächster Nachbarschaft wohnten. Um wen es mir hier allerdings konkret geht, das ist der bereits genannte Kater. Rico. Als ich ihn kennenlernte, tummelte ich mich gerade im üppigen Bambus der Wellers. Gegen die Kälte trug ich einen dunklen Bolero, den mir Thordis, die Dogge von gegenüber, vermacht hatte, nachdem er ihr zu klein geworden war. Durch das Grün beobachtete ich, wohin es diesen Nachbarkater in unserem Garten denn so trieb.
Kohlrabenschwarzes glänzendes Fell, schlanke, durchtrainierte Gestalt, aufrechte Haltung, gepflegter Schnurrbart, smaragdgrüne Augen, ich mache es kurz: Wir wurden ein Paar.
Natürlich wusste ich, dass Sie beim Lesen entsetzt aufschreien würden. Das war auch der Grund, warum ich bis hierhin zögerte, Ihnen von meiner gefährlichen Liebschaft zu erzählen. Aber ich gestalte unseren Kontakt seit Beginn der Geschichte ja doch recht offen, und daher war es nur eine Frage der Zeit, bis ich Sie mit der Entwicklung in meinem Liebesleben konfrontieren würde. Wer mit mir unter der Trennung von Tim gelitten hat, der soll nun auch mein Glück teilen. Und Glück empfand ich mit Rico zutiefst.
Ich bitte Sie sehr, um unsrer jungen Liebe willen, bei der weiteren Lektüre nicht fortgesetzt an Ihren Bildern von Katzen festzuhalten, wie sie in der Natur roden und brandschatzen und dabei auch, ich weiß das natürlich, Mäuse töten.
Auch Rico hatte sich auf diese Weise einige Jahre vom Katze-Sein treiben lassen. Er hatte schlimme Dinge getan. Nicht nur mit Mäusen. Bis er eines Tages über sich selbst verzweifelte, weil er nicht mehr niederkämpfen konnte, wie sehr er sich für jede einzelne Tat verabscheute. In ihm reifte der Wunsch, seine Triebe unter Kontrolle zu bekommen, diese, seine archaische Energie nur noch der Liebe zu widmen, nicht mehr der Zerstörung.
Doch wie sollte er das als Kater anstellen? Inmitten anderer Kater, die alle taten, was er tat.
Rico fing an, darüber zu sprechen. Er glaubte einfach fest daran, dass er Gefährten finden würde auf dem Weg heraus aus der Gewalttätigkeit. Und er wurde belohnt.
Nicht von allen wurde sein Entschluss zur Veränderung mitgetragen. Sechs der elf Katzen, mit denen er bis dahin seinen brutalen Alltag geteilt hatte, wendeten sich entsetzt ab und hatten nur Spott und Hohn für ihn übrig. Aber er wusste, dass er mit Widerstand zurechtkommen musste, wenn es ihm ernst war mit der inneren Einkehr. Und sein Lohn waren vier Genossen, die sich selbst wie befreit fühlten, als Rico ihnen von seiner Sehnsucht nach Gutkatzentum erzählte.
Die ganze Geschichte erfuhr ich bei unserem ersten Zusammentreffen. Rico spürte natürlich, dass ich augenblicklich panisch wurde, als er sich mir näherte, und beinahe gehetzt redete er auf mich ein, so groß war seine Angst, ich könnte flüchten.
Ich weinte furchtbar, als Rico sich
Weitere Kostenlose Bücher