... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
bereit, ihm Recht zu geben. Niemand konnte sich solcher Schönheit entziehen. Bei diesen Worten hatte Fearghais sie mit einem dieser typisch männlichen Dich-kriegen-wir-auch-noch-rum-Blicke angeschaut und, als wollte er sich dafür entschuldigen, mit der Schulter gezuckt.
Und wirklich wurde Sus e nicht müde, wieder und wieder auf den Hügel zu klettern und sich auf der steinernen Plattform am Fuße des großen, keltischen Kreuzes niederzulassen.
Sie zog die Jacke fester um ihre Schultern, da es leicht zu nieseln begann. Eigenartigerweise machten ihr die Unberechenbarkeit des Wetters und die Tatsache, dass der Boden niemals seine Feuchtigkeit verlor, nicht das Geringste aus. Zweifellos verdankte Irland diesem Umstand seine beständig grünen Hügel, die so voller Leben waren. Obschon es sich widersinnig anhören mochte, sie hätte Stein und Bein geschworen, den irischen Regen bislang kein einziges Mal so nass wie zu Hause empfunden zu haben. Es waren im Gegenteil weiche, sanft schmeichelnde Tropfen, die in diesem Moment auf sie herab schwebten und ihr ein Lächeln entlockten.
Und überhaupt änderte sich hier das Wetter so rasant wie die Launen einer Frau, speziell die ihren. War es nicht erst ein paar Tage her, da sie sich ans Ende der Welt, nur nicht nach Irland gewünscht hatte? Ein paar Tage? Es hätten Jahre oder auch Sekunden sein können. Zeit spielte keine Rolle mehr. Das war Vergangenheit. In diesem Augenblick interessierte sie das Hier und Heute. Nichts sonst.
Wer war eigentlich der Witzbold gewesen, der sie vor der Abreise beschworen hatte, unbedingt einen Regenmantel einzupacken? Sie erinnerte sich nicht. So vieles war unwichtig geworden, seit sie auf Sean Garraí weilte.
Auch als die Regentropfen schwerer wurden, saß sie einfach bloß da und ließ den Frieden des Hügels auf sich sinken wie einen Trost für die Seele. Ein Hoffnungsschimmer. Ein Lichtblick. Aus der Ferne beobachtete sie die allgegenwärtigen Schafe, die wie fette Maden an den Berghängen klebten. Das Weiß ihrer zotteligen Felle hob sich deutlich von dem Grün der Weiden ab, die wie gepflegte Teppiche aussahen.
Ein geradezu euphorisches Gefühl hatte sie an diesem Morgen ergriffen, als sie hinausgegangen war, um nichts als Stille und Einsamkeit zu erfahren. Kein störendes Geräusch drang von der Straße oder aus dem Dorf zu diesem Fleckchen Erde – höchstens mal ein Bellen oder Muhen oder das dumpfe Tuckern eines Traktors. Außerdem konnte sie von hier oben rechtzeitig erkennen, wenn unliebsamer Besuch in Gestalt von Matthias Clausing im Anmarsch war.
Nicht, dass sie ihn erwartet hätte. Aber man konnte ja nie wissen.
Wann hatte sie ihn eigentlich das letzte Mal länger als eine Nanosekunde gesehen? Fast eine Woche war seit Beltane vergangen. Máires missmutigem Gesicht nach zu urteilen, wenn sie sich nach dem Hausherrn erkundigte, machte er sich nicht allein für sie rar. Erst gestern hatte ihr Ean wortlos den Weg ins Haus versperrt und mit Todesverachtung eine knappe Notiz von Matt’n überreicht. Er müsse sofort ins Dorf und mit den Handwerkern sprechen, die sie für den Umbau des Pförtnerhäuschens benötigten, teilte er ihr darin mit.
Na und? Das interessierte sie nicht die Bohne. Sie wollte nicht mehr an ihn denken! Oder Fragen stellen. Versuchen, ihn zu begreifen.
Ihre Finger spielten mit einem Kleeblatt. Von denen gab es hier wie Sand am Meer. Sogar in ihrer Küche hatte Máire einen Blumentopf mit Klee, seamróg , stehen. Beinahe mitleidig hatte die Haushälterin über ihre Frage, was sie damit wolle, gelacht, da doch ausschließlich vierblättrige Stängel Glück bringen würden. Daraufhin hatte Máire von dem Glauben der alten Iren erzählt, wonach die Zahl Drei Glück bedeutete.
Seit diesem botanischen Exkurs wusste sie, dass es mehr als siebzig verschiedene Arten von Klee gab und auch die keltischen Götter oftmals in dreifacher Gestalt auftraten.
Und die s ollten eigentlich am besten wissen, was gut war.
Dazu fiel ihr, wie konnte es anders sein, gleich ein weiterer von Clausings scharfsinnigen Ergüssen ein: Am Beispiel eines Kleeblattes hatte der Heilige Patrick im Jahr Vierhundertfünfzig dem Ard Righ , dem zum Hochkönig Irlands gewählten Aengus, die Dreieinigkeit erklärt. Im Klee wachsen Vater, Sohn und der Heilige Geist aus einem Stiel, sind also drei in einer Pflanze vereint. Und Gott, die Dreifaltigkeit, hat Irland in einen grünen Teppich mit seinem Namen verwandelt. Seit jener Zeit galt das
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