... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
nackten Unterarm den Schweiß von der Stirn und hinterließ dabei eine feine Mehlspur auf ihrer geröteten Haut.
„Darf ich dich zur Abwechslung mal was fragen, Máire?“
Mit einer höchst verwunderten Miene hob die alte Haushälte rin den Kopf und musterte Suse. „Seit wann musst du das fragen?“, erkundigte sie sich nachdenklich, als schwante ihr bereits, was der jungen Frau auf dem Herzen lag.
„Es ist … n un ja, es ist eine“, Suse lachte unsicher und fegte eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn, „eine ziemlich alberne Frage.“
„Du musst keine Sorge haben, dass ich dich auslachen werde. Das weißt du doch.“
„Sie ist regelrecht idiotisch und kindisch obendrein.“
Als Máire nichts darauf erwiderte, holte Suse tief Luft und stieß die nächsten Worte derart hastig hervor, als hätte sie Angst, der Mut könnte sie gleich im nächsten Augenblick wieder verlassen. „Glaubst du an Geister?“
„Es gibt so viele hier im Land, dass du mir schon konkret sagen musst, um wen es sich handelt.“
Im ersten Moment verschlug diese Antwort Suse die Sprache. Dann atmete sie hörbar aus und fing an zu lachen, während sie auf die Haushälterin zuflog und sie umarmte. „Oh Máire, ich liebe dich. Du bist wirklich ein Schatz! Weiß die Menschheit eigentlich, was sie an dir hat?“
„Wenn es frische s Gebäck gibt schon. Aber du wolltest mich fragen, ob ich an Geister glaube.“
„ Tja, ich dachte da … an Geister halt. Geister im Allgemeinen.“ Ihre Augen flogen zum Fenster, von dem aus Máire in der Ferne den Zauberhügel im Blick hatte. „Und den Cluricaun im Speziellen.“
„Aha. Der Cluricaun. Er würde es bestimmt nicht mögen , ein Geist genannt zu werden. Genauso hören sie die Bezeichnung ‚Die kleinen Leute’ nicht sonderlich gern, obwohl sie nun wahrlich keine Riesen von Wuchs sind“, murmelte Máire vor sich hin, um im nächsten Moment an Suse gewandt in einem sanften Ton festzustellen: „Das hier ist Irland, mein Kind.“
Und es klang genau so, als würde allein dieser Umstand, nämlich auf irischem Boden zu stehen, alles erklären.
„Das ha be ich in der Zwischenzeit, zwar widerwillig, nichtsdestotrotz akzeptiert“, moserte Susanne.
„Irland ist das Land der Gelehrten und Geschichtenerzähler, der Märchen und Legenden. Denkst du, es kommt von ungefähr, dass Irland vier Nobelpreisträger für Literatur hervorgebracht hat? Und das bei nicht mal vier Millionen Einwohnern! Das ist einsame Spitze, kann ich dir sagen. Diese Dichter stehen für die Liebe aller Iren zu den alten Geschichten und zu ihrer Heimat. Und ich bin überzeugt, solange es die Liebe gibt, wird es Irland geben. Und mit Irland selbstverständlich seine Legenden um Feen und Elfen und Helden, die in unseren Liedern besungen werden und ein Teil unserer Geschichte sind. Du kannst das eine nicht vom anderen trennen“, fügte Máire im Brustton der Überzeugung an und tätschelte Suses Hand. „Du bist in Irland und hast dich auf dieses Land eingelassen.“
„Also muss ich mit all seinen Begleiterscheinungen leben, den realen und unglaublichen, den fantastischen und alltäglichen. Das hast du wirklich schön gesagt. So schön, dass ich fast glauben möchte, meine Frage war gar nicht kindisch und dumm.“
„Alle Iren sind hervorragende Redner. Und ich habe obendrein den Stein der Beredsamkeit geküsst“, verriet Máire augenzwinkernd.
„Sieh an, den Stein der Geschwätzigkeit. Wenn du mir verrätst, was das ist, werde ich sofort mein Ränzlein packen und mich auf den Weg machen, um ihn ebenfalls zu küssen.“
„Dafür ist unser Lord zuständig. Immerhin bist du sein Gast.“
Suses Wangen färbten sich in Bruchteilen von Sekunden tiefrot. Erst da ging der Haushälterin auf, welcher Fehler ihr mit der etwas missglückten Wortwahl unterlaufen war.
„Ac h, Kindchen, was musst du von mir denken? Nicht fürs Küssen ist der Lord da – obwohl er in meinen Augen selbst da eine gute Figur machen würde, wenn er es denn täte – sondern als dein Fremdenführer. Nun bist du bereits so lange hier und was hat er dir bisher gezeigt? Nichts! Es ist wahrhaftig ein Jammer, die Tage zu Hause mit einer alten Klatschbase rumzuhängen oder sich auf Fremde wie diesen Máirtín einlassen zu müssen. Ich weiß nicht, was mit meinem Jungen los ist. Ich weiß es einfach nicht.“
„Ich bin gerne mit dir zusammen, Máire. Es ist wie mit einer alten Freundin, die man Ewigkeiten nicht gesehen hat. Man fühlt sich sofort wie
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