... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
verändert. Und es war anzunehmen, dass auch noch in tausend mal tausend Jahren Menschen dieses Land bewohnen und lieben würden.
Wie nichtig und klein waren angesichts dieser un fassbaren Dimensionen ihre eigenen Sorgen und der alberne Kleinkrieg, den sie noch immer mit Matt’n führte.
Aus einigen Fenstern fiel schummriges Licht auf die holprige Straße unten im Dorf. Wie ein zartes Seidentuch legte sich der Nebel über das Tal. Ab und zu bellte ein Hund. Suse lächelte, als sie das dünne Blöken der Osterlämmer vernahm, die sie nicht weit von hier beim Spielen auf einer Wiese beobachtet hatte. Abgesehen von dieser idyllischen Geräuschkulisse herrschten Ruhe und die typisch irische Gelas senheit über Killenymore und den Hügel von Sean Garraí, auf den sie sich auch heute zurückgezogen hatte.
Sie brauchte Zeit, um all die Dinge zu verarbeiten, die sie von Fíona Heneghan, der Amme des alten Grafen, erfahren hatte. Nach einer schlaflosen Nacht kamen ihr die Ereignisse heute noch verworrener und unglaublicher vor. Als hätte sie alles bloß geträumt. Erfreulicherweise schien sogar Lurgadhan de Búrca ihr Bedürfnis nach Ruhe zu akzeptieren. Zumindest hatte sie ihn im Laufe des Tages nicht gesehen – genauso wenig wie den Grafen.
Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Adrian und Matthias Clausing. Schon zeitig hatte sie begriffen, dass die beiden seit Kindertagen die besten Freunde waren. Selbst als Adrian ihr davon abgeraten hatte, mit Matthias auf einem Schiff zu fahren, war die Liebe zu seinem Freund ganz deutlich in seinen Worten zu hören gewesen. Dass die Lebensgeschichte ihres Mannes dermaßen eng mit der des Grafen verbunden war, hätte sie dagegen nie vermutet.
Sie waren Brüder.
Ob sie es vielleicht gewusst hatten? Sie traute ihnen durchaus zu, dass sie es geahnt, zumindest ein kleines bisschen irgendwo ganz tief in ihren Herzen gespürt hatten.
Ihr Blick wanderte hinüber zu den Gräbern v on Nóirín und Deirdre. Lag ebenfalls der Graf dort begraben? Suse konnte sich nicht erinnern, ob Máire das erwähnt hatte, und nahm sich vor, ihnen am nächsten Tag einen Besuch abzustatten, um sich zu vergewissern.
Sie spürte, wie der Boden unter ihrer Hand, die auf dem weichen Grasbett ruhte, zu vibrieren begann. Suchend blickte sie sich um. Das rhythmische Hufgetrappel war bereits zu hören, noch bevor das Pferd und sein Reiter in der Ferne auszumachen waren. Suse fühlte die Anwesenheit des Grafen. Und tatsächlich sah sie wenig später den pechschwarzen, riesigen Rappen aus dem Dunkel tauchen. Wenn man vom Teufel spricht, dachte sie lächelnd, sind die beiden nicht weit.
Aber dann hörte sie, wie Matthias unentwegt ihren Namen rief und von Mal zu Mal aufgebrachter klang. Das Lächeln auf ihrem Gesicht erlosch wie die Abendsonne. Ergeben stieß sie den Atem aus. Er hatte ja Recht, es war sicher höchste Eisenbahn, wollte sie noch innerhalb der Toleranzgrenze zum Abendessen erscheinen.
Wie so oft, wenn sie hier oben auf dem Hügel saß und träumte, schien die Welt aufzuhören , sich zu drehen. Zugegeben, sie hatte ein relativ gestörtes Verhältnis zu Hast und Eile. Na und? Auf Sean Garraí hatte die Zeit sogar noch das letzte bisschen Macht über sie verloren. Und seit ihrem Besuch bei der blinden Fíona hatte sie mehr als alles andere Ruhe gebraucht, um die Geschichte von Tomás, Deirdre und Nóirín wenigstens ansatzweise zu verdauen.
Die Geschichte der beiden Söhne des Grafen.
Angesichts von Pferd und Reiter, dessen Haare im Wind flatterten, fühlte sich Suse einmal mehr ins tiefste Mittelalter versetzt, als es noch Drachen zu töten gab und die Luft angefüllt war mit geheimnisvoller Magie und Zauber.
J ust in diesem Moment fiel ihr mit Schrecken ein, dass sie Matthias irgendwann versprochen hatte, heute ausnahmsweise pünktlich zum Essen zu erscheinen, da er Gäste eingeladen hatte. Die Hektik im Haus war ihr am Vormittag nicht entgangen, hatte Seine Lordschaft doch eigens für diesen Abend zusätzliches Personal engagiert, um Máire und den Mädchen die Arbeit zu erleichtern. Als sie selber mit ihrer Kaffeetasse überall im Wege stand und nicht mal jemanden zum Reden fand, hatte sie sich mit einem Picknickkorb auf den Weg hinauf zu den Steinkreuzen gemacht.
Und Clausings Befehl verdrängt, bis er schließlich ganz aus ihrem Gedächtnis verschwunden war.
Sie fluchte gotteslästerlich, als sie auf die Füße sprang, sich den leeren Picknickkorb schnappte und dem Grafen mit
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