... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
üben verstand?
46. Kapitel
Tief hängende, bleigraue Wolken fochten mit Sonne und Wind einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft am Himmel über Killenymore. Besser, sie machte sich sofort auf den Heimweg, seufzte Suse, denn selbstverständlich hatte sie wieder keinen Schirm für ihren Spaziergang durch den Ort eingepackt. Rasch suchte sie noch einen zwölfjährigen „Jameson“ aus, über den sich ihr Vater freuen würde, und bezahlte an der Ladentheke.
Der Wind zog und zerrte wütend an ihr, als sie hinaus auf die Straße trat. Er pfiff um die Häuserecken und das klang geradezu unheimlich, fast wie das Heulen eines Gespenstes. Fröstelnd verkroch sich Suse tiefer in ihre Jacke und beschleunigte den Schritt, dennoch war es ein vergeblicher Versuch, schneller als der Regen zu sein. Noch bevor sie das Ende des Dorfes erreicht hatte, platschten die ersten dicken Tropfen zu Boden. Ohne Frage wäre sie in Sekundenschnelle völlig durchnässt.
Leise vor sich hin schimpfend suchte sie Zuflucht im nächsten Pub und bestellte einen Kaffee. Dann zog sie den Brief aus ihrer Hosentasche, den sie im Laufe des Tages ein paar Dutzend Mal gelesen hatte. Mit kindlich unsicherer Handschrift stand „Suse Reichelt, Killenymore, Irland“ darauf geschrieben. In einer Ecke des Umschlages hatte der Absender mit roter Farbe ergänzt: „Ganz eilig“. Sie konnte es sich nicht anders erklären, doch das musste wohl der Grund gewesen sein, warum der Brief seinen Empfänger schon nach drei Tagen erreicht hatte. Aber in Irland verwunderte sie inzwischen gar nichts mehr. Sie hatte längst begriffen, dass selbst die unmöglichsten Wunder hier normal waren.
Es hatte sich wirklich von höchster Dringlichkeit herausgestellt, was ihr die kleine Alicia Katrin zu sagen hatte. Bis zu diesem Brief war Suse gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihr andauerndes Schweigen der kleinen Familie Germeaux zu schaffen machte.
Ihr Herz zog sich schm erzhaft zusammen. Sie musste schnellstmöglich etwas unternehmen! Seit Beates und Adrians Tod hatte sie sich in ihrem eigenen Kummer und Elend vergraben, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie keineswegs die Einzige war, die einen geliebten Menschen verloren hatte. Nach den Trauerfeiern waren ihre Familien auseinandergegangen wie Fremde, die sich zufällig auf der Straße begegnet waren. Kein einziges Wort hatte sie seitdem mit Alain gewechselt. Es hatte sie einfach nicht gekümmert, wie es um ihn bestellt war, so sehr fixiert war sie auf ihre Trauer. Einige Male hatte sie Beates Töchterchen Alicia Katrin bei deren Großeltern gesehen. Allerdings hatte sie sich nie dazu durchringen können, mit ihnen über das Unglück in Gabun zu sprechen.
„Was wollen wir heute trinken? Ar mhaith leat deoch? “
Erschreckt fuhr Suse herum. „Máirtín. Du? “ Er stand vielleicht nicht ganz oben auf der Liste von Menschen, die sie heute nicht sehen wollte, aber eindeutig in der Spitzengruppe. „Bist du wieder oder immer noch hier? Wolltest du nicht nach Cavan zurück?“
„Später. An bhfuil nóiméad agat ?“
„Eigentlich nicht. Ich wollte gerade gehen. Bin schon viel zu lange unterwegs gewesen.“
„Nur eine Minute.“ Er blickte sie treuherzig an und schnitt eine Grimasse. „Kaffee?“
„Hatte ich grad.“
„ Dann ein Beamish.“
Suse seufzte. Er würde nicht lockerlassen, bis sie endlich „Ja“ gesagt hatte.
„Na schön, ein Wasser für mich. Wo ist Liam abgeblieben?“
„Ist bereits wieder über ’n Teich.“
„ Das wusste ich nicht. Ich hätte mich gern von ihm verabschiedet.“
„ Er hat es ebenfalls bedauert. Alles Gute bis zum Wiedersehen soll ich dir von ihm wünschen. Wir haben von dem Unfall gehört und uns schreckliche Sorgen um dich gemacht. Wie geht es dir?“
„ Danke. Abgesehen von einer Beule ist mir nichts passiert. Matthias hat es schlimmer erwischt – Rippenbruch und eine Menge hässlicher Schnittwunden.“
Die Frage, was er an jenem Tag gemacht hatte, ob er vielleicht zufällig ebenfalls auf dem Ring of Kerry unterwegs gewesen war, da sie doch für einen Moment im Glauben war, sein Auto gesehen zu haben, brannte ihr auf der Zunge. Aber sie hatte ihre Aussage bei den Gardaí gemacht und Matt’n hatte ihr eindringlich ans Herz gelegt, denen alles Weitere zu überlassen und sich derweil von Fremden fernzuhalten.
„ Sorry , ich kann kein Mitleid für ihn heucheln. Er soll unter Restalkohol gefahren sein. Wäre zwar nicht das erste Mal, aber
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