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Dann eben nicht, Jeeves

Dann eben nicht, Jeeves

Titel: Dann eben nicht, Jeeves Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Er sah aus wie ein Wolf in der russischen Steppe, dem gerade ein Kulake auf einen hohen Baum entwischt ist.
    »So?« sagte er gereizt. »Nun, hier bin ich.«
    »Also?«
    »Was heißt ›Also‹?«
    »Berichte.«
    »Was soll ich denn berichten?«
    »Hast du mir nichts über Angela zu sagen?«
    »Nur, daß sie eine Kanaille ist.«
    Das beunruhigte mich.
    »Hat sie denn noch nicht mit der Friedenspalme gewinkt?«
    »Nein.«
    »Sehr merkwürdig.«
    »Warum merkwürdig?«
    »Sie muß doch deine Appetitlosigkeit bemerkt haben.«
    Er lachte heiser auf.
    »Appetitlosigkeit! Ich bin so ausgehöhlt wie der Grand Canyon.«
    »Kopf hoch, Tuppy! Denk an Gandhi.«
    »Was ist mit Gandhi?«
    »Der hat schon seit Jahren nichts Anständiges mehr zu essen bekommen.«
    »Ich auch nicht. Zumindest kommt’s mir so vor. Laß mich bloß mit Gandhi in Ruhe.«
    Ich merkte, daß uns das Thema »Gandhi« nicht weiterbrachte, und kehrte deshalb zum Ausgangspunkt unseres Gesprächs zurück.
    »Wahrscheinlich sucht sie dich gerade.«
    »Wer? Angela?«
    »Ja. Dein heroisches Opfer kann ihr doch nicht entgangen sein.«
    »Ich glaube, dieses Schaf hat überhaupt nichts gemerkt. Es war alles völlig umsonst.«
    »Na, na, Tuppy«, mahnte ich, »nur nicht den Kopf hängen lassen. Du darfst nicht so schwarz sehen. Auf alle Fälle hat sie mitgekriegt, daß du dir nichts von diesen nonnettes de poulet Agnès Sorel genommen hast. Dieser Verzicht war so sensationell, daß er bestimmt jedem in die Augen gesprungen ist. Und diese crêpes à la Rossini …«
    Von seinen verzerrten Lippen kam ein gequälter Schrei.
    »Hör auf, Bertie! Glaubst du, ich bin aus Stein? Es ist schon schlimm genug, daß ich tatenlos zusehen mußte, wie eines von Anatoles köstlichsten Diners an mir vorüberging. Da brauchst du mir jetzt nicht noch den Mund wäßrig zu machen. Erinnere mich nicht mehr an die nonnettes. Ich halte es nicht aus.«
    Ich versuchte, ihn zu trösten und aufzumuntern.
    »Nur Mut, Tuppy. Denk immer an den kalten Braten in der Speisekammer. Wie heißt es doch in dem schönen Lied? ›Morgen, Kinder, wird’s was geben …‹«
    »Ja, morgen. Aber jetzt ist es noch nicht mal halb zehn abends. Mußtest du denn diesen Braten erwähnen, ausgerechnet als ich versuchte, mal nicht daran zu denken?«
    Das konnte ich verstehen. Es würden noch viele Stunden vergehen, ehe er sich in diesen Braten verbeißen konnte. Also sagte ich nichts mehr, und wir saßen eine ganze Weile in Schweigen gehüllt da. Dann stand er auf und ging aufgeregt im Zimmer auf und ab wie ein Löwe im Zoo, der das Signal für die Futterausgabe gehört hat und nun hofft, daß der Wärter ihn nicht vergißt. Taktvoll sah ich weg, aber ich hörte, wie er gegen Stühle und andere Möbelstücke trat. Es war unverkennbar, daß es in ihm arbeitete und daß er erhöhten Blutdruck hatte.
    Nach einer Weile setzte er sich wieder, und ich merkte, daß er mich ansah. Sein Verhalten legte die Vermutung nahe, daß er mir etwas mitteilen wollte.
    Ich hatte mich nicht geirrt. Er tippte mir vertraulich aufs Knie und sagte:
    »Bertie.«
    »Hm?«
    »Soll ich dir mal was sagen?«
    »Nur heraus damit, alter Freund«, sagte ich freundlich. »Ich dachte auch gerade, daß ein bißchen mehr Dialog nichts schaden könnte.«
    »Wegen dieser Sache mit Angela und mir.«
    »Ja?«
    »Ich habe lange und gründlich darüber nachgedacht.«
    »Aha?«
    »Ich habe den Fall genauestens analysiert, und eins ist mir jetzt sonnenklar: Da ist was faul.«
    »Da komme ich nicht mit.«
    »Also gut, gehen wir noch mal die Fakten durch. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie nach Cannes fuhr, hat Angela mich geliebt. Sie war richtig in mich verknallt. Ich war buchstäblich der Mann ihrer Träume. Das kannst du doch bestätigen, nicht?«
    »Eisern.«
    »Und kaum war sie zurück, da gab es diesen Kladderadatsch.«
    »Richtig.«
    »Wegen nichts und wieder nichts.«
    »Nun mal langsam, alter Junge. Wegen nichts? Was du über ihren Hai gesagt hast, war ja nicht sehr nett.«
    »Ich habe ihr zu diesem Hai nur offen und ehrlich meine Meinung gesagt. Das ist es ja gerade. Glaubst du denn im Ernst, daß ein Mädchen einem Mann, den sie wirklich liebt, wegen einer lächerlichen Meinungsverschiedenheit über Haifische den Laufpaß gibt?«
    »Unbedingt.«
    Ich verstand nicht, warum er das nicht einsehen wollte. Aber Fingerspitzengefühl war ja noch nie Tuppys Stärke gewesen. Er ist einer von diesen großen, vierschrötigen Fußballertypen, denen es an Sensibilität,

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