Dann eben nicht, Jeeves
Zartes, Feines, das man weggeschlossen hat, von Lavendelduft umgeben.«
»Von Lavendelduft – in Ordnung.«
Es entstand eine ziemlich lange Pause. Sie sah mich mit einem mitleidvollen Spanielblick an, so als wäre ich eine Schnecke, der sie aus Versehen mit ihren Pumps auf den Schwanz getreten hätte, während ich ihr gerne gesagt hätte, daß sie sich mal keine Sorgen machen solle und daß Bertram nicht nur nicht von wildem Gram zerrissen sei, sondern daß er sich im Gegenteil noch nie so pudelwohl gefühlt habe. Aber das kann man natürlich nicht tun. Deshalb stand ich einfach stumm da und blickte tapfer drein.
»Ich wünschte, ich könnte es«, murmelte sie.
»Könnte was?« fragte ich, denn ich war mit meinen Gedanken woanders gewesen.
»Für Sie dasselbe empfinden, was Sie für mich empfinden.«
»Ach so.«
»Aber ich kann es nicht. Es tut mir schrecklich leid.«
»Alles O.K. Wir machen alle Fehler.«
»Ich mag Sie nämlich wirklich sehr gern, Mr …. nein, ich möchte Sie jetzt lieber Bertie nennen. Darf ich?«
»Gern.«
»Weil wir doch jetzt richtige Freunde sind.«
»Selbstredend.«
»Ich hab Sie wirklich gern, Bertie. Unter anderen Umständen -wer weiß …«
»Hm?«
»Wir sind ja nun richtige Freunde … Wir teilen diese schöne Erinnerung … Da haben Sie ein Recht, es zu erfahren … Sie sollen nicht denken, daß … Ach, das Leben ist wirklich furchtbar kompliziert, finden Sie nicht auch?«
Manch einer hätte diese unzusammenhängenden Sätze vermutlich für wirres Gefasel gehalten und einfach ignoriert. Aber wir Woosters sind nicht auf den Kopf gefallen und können zwischen den Zeilen lesen. Plötzlich dämmerte mir, was sie mir da zu verstehen geben wollte.
»Sie meinen, da ist ein anderer Mann?«
Sie nickte.
»Sie lieben einen andern?« Sie nickte.
»Verlobt, wie?«
Diesmal schüttelte sie ihr onduliertes Köpfchen.
»Nein, verlobt nicht.«
Na, das war zwar ein kleiner Trost; aber so, wie sie das gesagt hatte, sah es mir ganz so aus, als könne der arme Gussie seine Kandidatur genausogut zurückziehen. Der Gedanke, ihm das beibringen zu sollen, behagte mir gar nicht, denn so, wie ich den Mann einschätzte, würde für ihn eine Welt einstürzen.
Gussie war nämlich nicht so wie manche meiner Freunde – der Name Bingo Little drängt sich einem unwillkürlich auf –, die einfach »Na, dann nicht« sagten, wenn ein Mädchen sie abblitzen ließ, und sich vergnügt auf die Suche nach einer andern machten. Er gehörte eher zu denen, die, wenn es nicht gleich im ersten Anlauf klappt, die Sache verloren geben und für den Rest ihres Lebens Molche züchten und sich die Haare nicht mehr ordentlich schneiden. Manchmal liest man in Romanen von solchen Käuzen, die in dem großen weißen Haus ganz dahinten unter den Bäumen leben, abgeschlossen von der Welt und mit gramzerfurchten Gesichtern.
»Leider ist seine Liebe für mich nicht so groß. Zumindest hat er nichts davon gesagt. Sie verstehen sicherlich, daß ich Ihnen das nur sage, weil …«
»Ja, natürlich.«
»Seltsam, daß Sie mich gefragt haben, ob ich an Liebe auf den ersten Blick glaube.« Sie senkte die Augenlider. »›Das wahre Glück, das reine Glück ist Liebe auf den ersten Blick‹«, sagte sie mit einer so merkwürdigen Stimme, daß ich – ich weiß nicht, warum – unwillkürlich daran denken mußte, wie meine Tante Agatha bei der Wohltätigkeitsveranstaltung, von der ich sprach, als Genoveva auftrat. »Eigentlich gibt es da gar nicht viel zu erzählen. Ich war bei Freunden auf dem Land zu Besuch und hatte mit meinem Hund einen Spaziergang gemacht, und der arme Kerl ist mit seinem Pfötchen in einen garstigen Dorn getreten, und ich wußte nicht, was ich tun sollte. Da kam plötzlich dieser Mann …«
Um noch mal auf dieses Wohltätigkeitsfest zurückzukommen: Bisher habe ich Ihnen, was meine Reaktion auf diese Veranstaltung betrifft, nur die Schattenseiten aufgezeigt. Ich sollte aber erwähnen, daß das Ganze sehr angenehm ausklang. Nachdem ich mich nämlich aus meiner Ritterrüstung gepellt hatte, war ich auf schnellstem Wege in ein schmuckes Wirtshaus enteilt und hatte den wackeren Wirt gebeten, mir vom Besten einzuschenken. Wenig später hielt ich ein schäumendes Glas Selbstgebrautes in der Hand, und die wohltuende Kühle des ersten Zuges ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Die Erinnerung an das Grauen, dem ich entronnen war, machte mein Glück vollkommen.
Diesmal war es genauso. Als ich begriff, daß sie
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