Dann eben nicht, Jeeves
war. Erstaunlich fand ich nur, daß schon eine so kurze Behandlung Gussie, der sonst den Mund nicht aufbekam, zu so was befähigt hatte.
Aber daran sieht man mal wieder, daß sich die wahre Redekunst erst dann entfaltet, wenn man ein paar intus hat. Jeder Abgeordnete wird Ihnen das bestätigen. Nur wer blau ist, vermag seine Zuhörer in Bann zu schlagen.
»Meine Herren«, sagte Gussie, »genauer gesagt, meine Damen und Herren und natürlich liebe Jungs, das Leben ist doch wunderschön. Es ist wunderschön und voller Glück. Ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Zwei Iren, Mike und Pat, spazierten den Broadway entlang, und da sagte der eine zum andern: ›Es sind nicht immer die Schnellsten, die das Rennen machen, das kannst du mir glauben‹, worauf der andere sagte: ›Weißt du, wenn einer weiß, was er weiß, weiß er mehr, als wenn er nichts weiß.‹«
Ich fand das, offen gestanden, die idiotischste Geschichte, die ich je gehört hatte, und ich mußte mich doch wundern, daß Jeeves gemeint hatte, für eine Rede wie diese sei sie das Richtige. Als ich ihn deswegen später zur Rede stellte, erklärte er mir allerdings, daß Gussie erhebliche Veränderungen daran vorgenommen habe, und daran muß es wohl gelegen haben.
Jedenfalls war das der Schwank, wie Gussie ihn erzählte, und wenn ich Ihnen sage, daß er dafür viel Gelächter erntete, dann können Sie sich ja denken, was für ein Publikumsliebling er hier war. Möglicherweise gab es auf dem Podium den einen oder anderen Bartträger und eine kleine Minderheit in der zweiten Reihe, die sich wünschten, der Redner möge zum Schluß kommen und sich wieder setzen, aber die große Mehrheit des Publikums war für ihn.
Man applaudierte, und irgend jemand rief: »Hört, hört!«
»Jawohl«, sagte Gussie, »das Leben ist schön. Der Himmel ist blau, die Vöglein zwitschern, und alle Welt ist frohen Muts. Und warum auch nicht, liebe Damen, Jungs und Herren? Ich bin glücklich, Sie sind glücklich, wir sind alle glücklich bis hinunter zum ärmsten Iren, der den Broadway entlanggeht. Obwohl es ja eigentlich zwei waren, Pat und Mike, von denen der eine was wußte und der andere wußte nichts. Und nun, liebe Jungs, möchte ich, daß ihr auf mein Kommando ein dreifachkräftiges ›Hipp-hipp-hurra‹ auf dieses schöne Leben ausbringt. Hipp-hipp …«
Nachdem sich die Staubwolken verzogen hatten und kein Putz mehr von der Decke rieselte, fuhr er fort.
»Wer behauptet, das Leben sei nicht schön, redet schlichtweg Blech. Leider sah ich mich auf der Fahrt hierher gezwungen, meinem Gastgeber diesbezüglich einen Rüffel zu erteilen. Dem alten Tom Travers. Sie sehen ihn hier in der zweiten Reihe neben der korpulenten Dame in Beige.«
Er deutete mit dem Finger auf ihn, und etwa hundert Market Snodsburianer reckten die Hälse, um zu sehen, wie Onkel Tom rot anlief.
»Ich habe ihn ganz schön zusammengestaucht, den armen Teufel. Er sagte nämlich, das Leben sei eine Bürde. Darauf sagte ich: ›Reden Sie keinen Quatsch, Tom Travers.‹ – ›Ich pflege nie Quatsch zu reden‹, antwortete er. – ›Für einen Anfänger‹, sagte ich ihm, ›machen Sie’s aber schon ganz gut.‹ Und Sie werden mir sicherlich zustimmen, liebe Jungs und Damen und Herren, daß das gut gesagt war.«
Die Zuhörer schienen ihm rückhaltlos zuzustimmen. Der »Hört, hört« -Rufer von vorhin rief wieder: »Hört, hört!«, und mein Kornhändler hämmerte kräftig mit einem riesigen Spazierstock auf den Boden.
»Nun, liebe Jungs«, sprach Gussie weiter und fletschte wild das Gebiß, »das Schuljahr ist zu Ende, und sicherlich werden viele von euch die Schule verlassen. Das kann ich gut verstehen, denn hier drin ist eine Luft, die man mit dem Messer schneiden könnte. Ihr werdet hinaus ins Leben treten. Bald werden viele von euch den Broadway entlangspazieren. Und was ich euch mit auf den Weg geben möchte, auch wenn ihr noch so kurzsichtig seid, ist die Mahnung, daß ihr euch unter allen Umständen davor hütet, Pessimisten zu werden und solchen Quatsch zu reden wie der alte Tom Travers. Da in der zweiten Reihe. Mit dem Gesicht wie eine Walnuß.«
Er machte eine Pause, um allen Gelegenheit zu geben, ihr Gedächtnis durch einen neuerlichen Blick auf Onkel Tom aufzufrischen, während ich ein wenig sinnierte. Aufgrund meiner langjährigen Mitgliedschaft im Drohnen-Club bin ich eigentlich ganz gut informiert über die verschiedenen Auswirkungen, die eine Überdosis Alkohol auf den
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